Das Geheimnis der Puppe
eine, dann die zweite. Und oben rief er:»Können Sie mal bitte runterkommen.«
Ich hörte es, aber ich dachte nicht darüber nach. Es ging im Augenblick gerade so gut, floß direkt aus den angestaubten Tüchern in die Schreibmaschine. Drei komplette Szenen, die ich später an entsprechender Stelle einfügen konnte. Und selbst beim Lesen des relativ nüchtern gehaltenen Drehbuchtextes spürte man das Grauen, das von Sandy ausging. Im Geist sah ich bereits, wie das alles in diesem Haus in Szene gesetzt wurde. Wie Sandy wieder und wieder in den Keller schlich auf der Suche nach ihrem Vater. Und wie sie auf der Suche nach ihrer Mutter vor diesem bestimmten Wandabschnitt stand. Hinter der Geheimtür lag nicht nur das komplette Labor. Da waren zahlreiche Nebenräume, oft nur winzige, dunkle Kämmerchen, und da waren die verwinkelten Gänge, die tief in den Hügel hineinführten. Plötzlich stand Laura hinter mir. Sie machte einen sehr erschöpften Eindruck, wischte sich eine verschwitzte Haarsträhne aus der Stirn.
»Die Hitze bringt einen um«, murmelte sie.
»Der Wagen war wie ein Backofen. Ich bin ganz klebrig und kann mich selbst nicht mehr riechen.«
In der Halle stand ein gutes Dutzend großer, oben offener Kartons, aus denen Unmengen von Tapetenrollen herausragten. Daneben noch vier Eimer, die mit Deckeln verschlossen waren.
»Bist du gut vorangekommen.«
fragte Laura. Ich zeigte stumm auf den kleinen Papierstapel neben der Maschine, und sie nickte. Aber es war kein zufriedenes oder gar glückliches Nicken. Es war nur erschöpft. Ich folgte ihr in die Halle. Heinz war gerade dabei, eine der Rollen aus der Schutzfolie zu ziehen. Laura erklärte:»Der Verkäufer hat mir ausgerechnet, wie viele ich jeweils brauche. Aber wenn welche zuviel sind, kann ich sie zurückbringen.«
»Und wenn eine zuwenig ist.«
fragte ich scherzhaft. Und ich bin mir völlig sicher, daß man den scherzhaften Ton ganz deutlich erkennen konnte. Doch Laura reagierte nicht darauf. Sie starrte mich an und erklärte mit einem Anflug von Wut in der Stimme:»Nur keine Sorge, wenn der Verkäufer sagte, ich brauche zwanzig, habe ich zwei mehr genommen. Ich bin kein Feigling und auch kein Geizkragen wie du.«
Dann ließ sie mich mitten in der Halle zwischen Eimern und Kartons stehen, rannte die Treppe hinauf. Heinz hob verlegen die Schultern. Er grinste unsicher.
»Die Hitze kann einen schon nervös machen«, meinte er und stieg ebenfalls wieder hinauf. Oben hörte ich Laura mit Rudolf reden. Ich hatte das drängende Empfinden, daß ich ihr nachgehen sollte. Doch statt dessen ging ich hinunter in die Küche. Im Kühlschrank fand ich einen kleinen Vorrat an Aufschnitt. Neben Wurst, Käse und Schinken lagen zwei Pakete Bauernschnitten. Ganz automatisch trug ich alles zum Tisch und begann, die Brotscheiben mit Butter zu bestreichen. Dann belegte ich sie. Die Männer waren garantiert hungrig. Danny hatte sich zwischendurch mit Keksen und zwei Bananen versorgt. Ein belegtes Brot konnte auch ihm nicht schaden. Ich richtete die fertigen Brote auf einer Platte an, garnierte sie noch mit den Vierteln einiger Tomaten, die ich im Gemüsefach fand, und trug sie hinauf. Sie waren alle im Schlafzimmer, standen zwischen Bergen von feuchten, klebrigen Tapetenfetzen und betrachteten die nackten Wände. Laura hatte einen Arm um Dannys Schultern gelegt und ihn sehr fest an sich gezogen.
»Soll ich Kaffee machen.«
fragte ich und stellte die Platte auf der breiten Fensterbank ab.
»Nimm es wieder mit«, sagte Laura.
»Wir kommen zum Essen runter in die Küche.«
Ihre Stimme klang sehr müde, und ich fühlte mich, als hätte ich ein Verbrechen begangen. Dann saßen wir zu fünft um den großen Küchentisch herum. Ich hatte Kaffee aufgebrüht, aber außer mir trank niemand davon. Laura hatte sich ein Glas Mineralwasser genommen, Danny trank Milch. Und die beiden Männer hatten Bierflaschen vor sich. Ihre karierten Hemden hatten sie ausgezogen, vielleicht wegen der Hitze. Auf Rudolfs mächtigem Brustkorb kräuselten sich Unmengen von dunklen, feucht schimmernden Härchen. Jedesmal, wenn er die Bierflasche an den Mund hob, ließ er die Muskeln auf seinen Oberarmen spielen. Laura saß apathisch auf ihrem Platz, kaute lustlos auf einem belegten Brot herum. Ihr Blick schweifte immer wieder zu dieser breiten, behaarten Brust, zu den muskulösen Armen hinüber, verirrte sich dann anschließend regelmäßig zu meinen Händen. Und jedesmal huschte so etwas wie ein
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