Das Geheimnis der Puppe
immer noch ganz schwach der Geruch der Frau im Stoff. Es drückte sein Gesicht fester auf den Balg, schnupperte und fand ein klein wenig Trost dabei. Das klägliche Wimmern verstummte allmählich, nur noch vereinzelt klangen Schluchzer auf. Irgendwann schlief es vor Erschöpfung ein. Nach Stunden erwachte es wieder. Es war hungrig und durstig. Und außen war immer noch alles still. Das Kind lauschte angestrengt, dann kroch es zum Eingang hinüber und tastete mit den Händen, bis es gegen das Holzbrett stieß. Darauf lag noch das Brot. Es war nicht mehr ganz frisch. Der erste Bissen klebte trocken im Mund. Wieder ließ es die Finger behutsam über den Boden gleiten, suchte nach der Milchflasche, stieß statt dessen gegen den Becher und hob ihn vorsichtig mit beiden Händen zum Mund. Es nahm einen Schluck, nur einen, weil der Saft bitter war. Dann biß es noch einmal von dem Brot ab. Anschließend mußte es gleich wieder trinken. Und bald darauf wurde es wieder müde. Es kroch zurück auf die Decke, streckte sich aus und schlief gleich ein. Es war ein bleischwerer Schlaf, aus dem es erst nach langer Zeit wieder erwachte. Und es war niemand gekommen. Sein Kopf war noch angefüllt von Müdigkeit. Benommen richtete es sich auf, tastete umher und bekam einen Zipfel der Puppe zu fassen. Es hielt sie mit einer Hand fest und schleifte sie hinter sich her, als es langsam zur anderen Seite seines Raumes hinüberkroch. Die Milch! Groß und verlockend stand ihm die Flasche vor Augen. Sie mußte irgendwo beim Eingang stehen.
Seine Bewegungen waren unsicher und schwerfällig. Obwohl es nur auf Händen und Knien vorwärts kroch, gaben die Beine immer wieder nach, knickten unter ihm weg, und der schwere Kopf zog es nach vorne über. Zweimal lag es minutenlang auf dem Bauch, mit dem Gesicht auf dem rauhen Boden, ehe es den Eingang erreichte. Doch so sehr es auch suchte, es fand weder die Milchflasche noch das Häufchen Kekse. Und der Mund war so trocken. Auf Knien richtete es sich auf, schlug mehrfach mit der Hand gegen die Mauer, kratzte an den Steinen. Die Frau mochte das nicht. Doch in seiner Not wußte es sich nicht anders zu helfen. Der Leib begann zu schmerzen, und im Kopf waren kleine Wirbel, die den Boden und die Mauer schwankend machten. Und die Frau kam nicht. Es kam auch sonst niemand. Auf dem Boden beim Eingang sitzend, schlang es die trockenen Reste des Brotes in sich hinein, trank ein wenig von dem Saft, wurde erneut müde davon. Es gelang ihm nicht einmal mehr, zurück zu seiner Decke zu kriechen.
Mitten in der Kammer rollte es sich auf dem kalten Boden zusammen und schlief weiter. Nach einer langen Zeit erwachte es wieder. Der Leib schmerzte stärker als zuvor, zog sich in Krämpfen zusammen. Wieder begann es leise vor sich hinzuwimmern, machte sich auf die Suche nach Nahrung. Aber es war bereits schwach und von der Bitterkeit im Saft benommen. Die Finger stießen immer nur gegen das leere Holzbrett und den Becher. Nach einer langen Stille trank es mit viel Überwindung den Rest Saft. Die Kekse hatte es nicht wiederfinden können. Auch die Milchflasche nicht.
Und der Rest aus dem Becher schmeckte noch bitterer. Das Kind spürte winzige Krümel auf der Zunge und zwischen den Zähnen, versuchte, sie auszuspucken und wischte sich einmal mit der Hand über den Mund. Dann kroch es mühsam zurück in seine Ecke, legte sich dorthin, wo es weich war. Es horchte noch minutenlang. Bis der Schlaf kam und es mit sich nahm.
Steiners Haus
Mein Vater schickte uns montags zwei junge Männer, Heinz und Rudolf Meisen, die bereit waren, alle anfallenden Arbeiten zu erledigen. Heinz war der Chef des Zweimannbetriebes. Rudolf bekannte freimütig, daß er von Beruf Kraftfahrer war, zur Zeit jedoch ohne Führerschein. Aber donnerstags würde ein Freund von Heinz zur Verfügung stehen, um den Lastwagen zu fahren. Also Donnerstag. Laura war begeistert, ich weniger. Den Dienstag verbrachte ich mit Behördengängen. Abmeldung, Nachsendeantrag bei der Post. Der Telefonanschluß war schon beantragt, doch da wollte ich noch einmal nachhaken. Mittwochs versuchte ich, Wolfgang begreiflich zu machen, daß ich im Haus wesentlich besser vorankommen würde. Allein die Atmosphäre dort würde mich vermutlich zur Höchstform bringen. Dann standen wir tatenlos dabei, während unsere Möbel auf den Lastwagen verladen wurden. Wir mußten mit unserem Wagen nur hinterherfahren. Dieser Donnerstag war eine einzige Katastrophe. Wir kamen am
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