Das Geheimnis der Puppe
stand sie vor dem Kühlschrank, stieß die Luft aus.
»Einer von uns dreien scheint einen gesegneten Appetit zu haben. Gestern war das Gurkenglas noch halb voll. Also, Gurken brauche ich, sonst kann ich nicht denken.«
Laura ißt, seit ich sie kenne, in Essig eingelegte Gurken, so wie andere Leute Kartoffelchips zum Fernsehen essen. Zum Ausgleich verabscheut sie jede Art von Süßigkeiten.
»Ich fahre wohl am besten gleich nach Bedburg. Vielleicht sollte ich mir eine Liste machen, sonst stehen wir morgen wieder da, und es fehlt etwas. Und morgen ist Sonntag, da gibt es nirgendwo was.«
Während sie dann aß, überlegte sie laut, welche Lebensmittel wir für die nächsten Tage brauchten. Der Teller war leer, Laura nahm sich eine zweite Tasse Kaffee, holte einen kleinen Notizblock und den Kugelschreiber und fertigte ihre Liste an. Wir gingen davon aus, daß die Läden in der Stadt erst um neun öffneten, bis dahin war noch Zeit. Laura nutzte sie, um die riesige Gefriertruhe im Vorratsraum gründlich zu reinigen und in Betrieb zu nehmen. Ich sah es nicht so gerne, wie sie da mit ihrem Bauch auf der Kante hing, den Kopf tief hinabgebeugt, um auch den Boden der Truhe abwaschen zu können.
»Tu mir einen Gefallen, Tom, meckere nicht an mir herum. Geh an deine Arbeit, und laß mich einfach tun, wonach mir gerade ist. Dann kommen wir bestens zurecht.«
Ächzend tauchte sie aus der Truhe hoch, das Gesicht stark gerötet. Ich konnte mir das Rauschen in ihren Ohren vorstellen, aber sie blieb stur. Dann holte sie endlich ihr Scheckheft und ging zum Wagen. Es war inzwischen viertel vor neun, und Danny schlief immer noch. Er erwachte auch nicht, als wenig später die Männer erschienen. Wir standen ein paar Minuten lang in der Halle beisammen und besprachen, was sie heute erledigen sollten. Das Schlafzimmer einräumen, anschließend den Nebenraum, mein zukünftiges Arbeitszimmer in Angriff nehmen. Ich ging mit ihnen hinauf, warf einen Blick in Dannys Zimmer. Er erwachte auch nicht, als ich nahe an sein Bett herantrat. Ich ließ die Tür einen Spalt offen. Doch wenn ich gehofft hatte, Danny würde von den Arbeitsgeräuschen der beiden Männer geweckt, wurde ich enttäuscht. Selbst als gegen elf das Kratzen und Schaben in meinem Arbeitszimmer begann, dauerte es noch eine gute halbe Stunde, ehe er hinter mir auftauchte. Ich hatte ihn nicht kommen hören, steckte mitten in einer Szene, mit der ich einige Schwierigkeiten hatte. Sandy vor der Kellerwand mit der Geheimtür. Sie fühlt die Nähe ihres Vaters. Fühlt, daß auch ihre Mutter noch in einem stillen Winkel vegetiert. Das ließ sich beschreiben, aber nicht so einfach in Szene setzen. Ich probierte ein wenig herum. Eine Möglichkeit waren Geräusche. Ein Stöhnen, ein Wispern, das aus einem verborgenen Winkel nach draußen drang. Sandy war sehr hellhörig. Als Danny hinter mir zu sprechen begann, fuhr ich zusammen. Seine Stimme klang so trocken und rauh.
»Wo ist Mama.«
Laura war noch nicht zurück. Bisher hatte ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Erst als Danny jetzt nach ihr fragte, wurde mir ihr langes Ausbleiben bewußt. Aber es war Samstag, da herrschte vermutlich Hochbetrieb in den Supermärkten.
»Sie ist in die Stadt gefahren«, erklärte ich ihm.
»Um ein paar Einkäufe zu machen.«
Dann ging ich mit ihm in die Küche, machte ihm das Frühstück und für mich gleich einen starken Kaffee. Vielleicht dachte es sich damit leichter. Er schlurfte hinter mir her, bekam kaum die Füße vom Boden. Nachdem er sein Brot verspeist, sich gewaschen und den Schlafanzug mit einer frischen Shorts und einem T-Shirt vertauscht hatte, setzte er sich in die Garageneinfahrt, den Blick unverwandt auf die Straße gerichtet. Laura kam erst kurz vor zwei zurück. Ich hatte den Wagen nicht gehört, aber ich hörte, wie Danny in riesigen Sätzen die Treppe hinaufkam.
»Komm schnell, Papa, du mußt ihr helfen.«
Im ersten Augenblick bekam ich einen Schrecken, malte mir eine kleinere Katastrophe aus. Aber es waren nur die Kartons mit den Lebensmitteln, die ich in die Küche tragen sollte. Schwere Kartons, Laura hatte eingekauft, als müsse sie sich hier auf einen langen, einsamen Winter einrichten. Der Kofferraum des Wagens war bis fast unter den Deckel gefüllt, Bier und Limonade, verschiedene Obstsäfte, drei Kästen Mineralwasser, zwei riesige Tüten mit der Aufschrift eines Fleischerfachgeschäftes, mehrere Brotlaibe, Unmengen von Konserven. Nachdem ich alles in die Küche
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