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Das Geheimnis der Puppe

Das Geheimnis der Puppe

Titel: Das Geheimnis der Puppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Augenblick lang in den Lichtkegel, drehte sich in panischer Hast um und floh. Auf halber Höhe der Treppe schaute er über die Schulter zurück, ob es ihm folgte. Dabei stolperte er, stürzte, und dann lag er da. Das Kind hörte die polternden Geräusche und drückte sich tiefer in seinen dunklen Winkel hinein. Nach einer Weile drang ein hilfloses Stöhnen in seinen Raum. Jämmerlich klagende Laute, die seine Furcht noch steigerten, weil es sie nicht einordnen konnte. Der Mann auf der Treppe bemühte sich, seinen massigen Körper allein mit den Armen hinaufzuziehen. Es gelang ihm nicht. Die Arme waren ohne Kraft. Die Augen auf den Fuß der Treppe gerichtet, lag er da und stammelte ein paar sinnlose Worte vor sich hin. Das Kind hörte ihn. Aber noch saß es zitternd in seiner Ecke, wartete darauf, daß eine der Frauen kam, um den Eingang wieder zu schließen. Als nichts geschah, kroch es langsam auf die helle Öffnung zu. Dann wartete es wieder, schaute nur mit ängstlichen Augen in die blendende Helle. Es erkannte die Tür auf der anderen Seite des Ganges. Dahinter mußte die Frau sein. Zweimal stieß das Kind einen feinen, dünnen Ton aus. Dann stand es plötzlich draußen, gegenüber der Tür. Sie war geschlossen, zögernd und steif ging es die wenigen Schritte, kratzte zaghaft am Holz. Nichts rührte sich, nur das Ächzen von der Treppe klang wieder auf. Es fürchtete sich immer noch. Ganz langsam ging es vor, spähte um die Mauer die Stufen hinauf. Es sah ihn dort liegen, mit dem Kopf auf einer der harten Stufen. Er sah es ebenfalls, schüttelte voller Abwehr den Kopf.

    »Nein«, stieß er hervor.
    »Nein, geh weg.«
    Was die Worte bedeuteten, wußte das Kind nicht. Aber es fühlte die Angst des Mannes und zog sich wieder zurück in seine Ecke. Jetzt, im Licht, sah es die Milchflasche stehen, und daneben lagen die Kekse. Aber es war nicht durstig, nicht hungrig, nicht müde, es war nur da. Stunde um Stunde saß es ganz still und wartete. Wartete auf die Frau, auf die Wärme ihres Körpers, wartete darauf, daß sie kam, um es zu sich ins Bett zu nehmen. Aber sie kam nicht. Im Haus war es ganz still. Auch der Mann gab keinen Ton mehr von sich. Vielleicht war er nicht mehr da. Es kroch wieder auf den Eingang zu, stand unsicher davor im Gang, schlurfte zögernd zur Treppe. Schon ein Blick reichte, um zu erkennen, daß er noch so lag wie vorhin. Die Augen hatte er geschlossen. Und unter den Lidern quollen dicke Tropfen hervor. Das Kind erinnerte sich an die Tropfen, die vom Gesicht der Frau gefallen waren, als sie zum letztenmal kam. Wieder stieß es einen kleinen, hohen Ton aus, halb fragend, halb ängstlich. Und der Mann öffnete die Augen. Er sah es kommen, zuerst nur das kleine Gesicht, am Fuß der Treppe. Dann eine Hand, die sich auf das Mauerstück legte.
    »Was willst du von mir.«
    flüsterte er rauh.
    »Geh wieder weg, du bist gar nicht da. Sie hat dich mitgenommen. Sie muß dich mitgenommen haben.«
    Es blieb vor der ersten Stufe stehen, fast die ganze Nacht lang, still und geduldig. Als draußen die Dämmerung einsetzte, begann der Mann wieder zu stöhnen. Dann flüsterte er:
    »Ich bin so durstig.«
    Eines der Worte kannte das Kind, aber es war nicht durstig. Und es hatte niemals gesehen, daß eine der Frauen Nahrung oder Milch brauchte. Der Mann wiederholte das Wort immer wieder. Da ging das Kind in seinen Raum und holte die Flasche, stand zögernd damit vor der ersten Treppenstufe.
    »Was hast du da.«
    fragte der Mann, spähte angestrengt zu ihm hinunter. Als er die Flasche in der Hand des Kindes erkannte, flüsterte er:
    »Wenn du mir wirklich etwas geben willst, dann komm her. Ich will nur einen kleinen Schluck, bitte.«
    Und wieder war unter den vielen Worten eines, dessen Bedeutung das Kind kannte. Komm! Mit Händen und
    Füßen arbeitete es sich mühsam die Treppenstufen hinauf. Stellte die Flasche immer vorsichtig auf der nächsten Stufe ab. Endlich hatte es den Mann erreicht. Er hob den Kopf.
    »Du bist ein gutes Kin.«
    , murmelte er und wollte nach der Flasche greifen. Doch sein Arm war ohne Kraft. Mit einem Aufstöhnen legte er den Kopf zurück. Das Kind fürchtete sich immer noch vor ihm, streckte zaghaft eine Hand aus, berührte mit den Fingerspitzen seine Wange. Die Haut war rauh, und er zuckte vor der Berührung zurück. Dann hob er den Kopf wieder.
    »Du mußt mir helfe.«
    , sagte er.
    »Ich kann die Flasche nicht nehmen.«
    Keines der Worte hatte einen Sinn für das Kind. Aber es

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