Das Geheimnis der Puppe
meinte Laura. Ich nickte. Und gleich darauf wurde Laura wieder aggressiv.
»Warum hast du denn gestern versucht, die Sache zu vertuschen? Ich will wissen, was hier los ist. Was hier im Haus vorgeht, betrifft mich ebenso wie dich. Mich vielleicht noch etwas mehr.«
Laura funkelte mich an.
»Belüg mich nie wieder, Tom. Nie wieder, hörst du.«
Gleich nach dem Frühstück fuhr sie nach Köln. Wann sie zurückkommen würde, hatte sie mir nicht gesagt. Ich sah mit einem unguten Gefühl zu, wie sie den Wagen aus der Garage die Einfahrt hinunter zur Straße trieb. Im Rückwärtsgang, mit heulendem Motor. Die Reifen spritzten den Kies nach beiden Seiten.
»Fahr vorsichtig«, brüllte ich noch. Aber gehört hat sie mich bestimmt nicht. Kurz nachdem Laura abgefahren war, kamen Heinz und Rudolf. Wir machten uns alle drei an die Arbeit, obwohl man bei mir kaum von einer solchen sprechen konnte. Die meiste Zeit saß ich nur vor einem leeren Blatt. Ich versuchte mir einzureden, es sei alles in Ordnung, dachte über den ungebetenen Gast nach, ein kleines Kind. Das machte mich wütend und lenkte ein wenig von den aktuellen Problemen ab. Mittags sprach ich mit Heinz darüber. Es war mehr Spekulation als Tatsache. Aber da sah Heinz keinen Unterschied. Er schüttelte mehrfach hintereinander den Kopf und meinte:»Sachen gibt’s, das soll man nicht glauben. Wie kann man denn ein kleines Kind nachts unbeaufsichtigt herumlaufen lassen? Anzeigen sollte man solche verantwortungslosen Schweine.«
Dann erzählte er von seiner Tochter, geriet ins Schwärmen, der Vaterstolz ließ sein gutmütiges Gesicht förmlich aufleuchten. Rudolf, der dabei saß und zu allem schwieg, grinste hin und wieder, um deutlich zu machen, daß sein Bruder da wohl manches etwas übertrieben darstellte. Bevor Heinz zurück ins Eßzimmer ging, wies er mich nachdrücklich darauf hin, daß man solch eine Sache nicht auf sich beruhen lassen dürfe.
»Da muß man was unternehmen. Stellen Sie sich nur mal vor, was dem armen Kind alles passieren kann.«
Da stimmte ich mit ihm überein, nur fehlte mir augenblicklich die Zeit, großartig etwas zu unternehmen. Der Gedanke, daß ich mich nachts auf die Lauer legen müßte, kam mir ein wenig lächerlich vor. Und solange ich nicht einmal wußte, um welches oder wessen Kind es sich handelte, konnte ich nicht viel tun. Ich überzeugte mich lediglich abends davon, daß sämtliche Türen und die Fenster im Erdgeschoß und im Keller geschlossen waren. Und es schien ganz so, daß ich mit dieser Methode Erfolg hatte. Es war der nächste Nachmittag, als ich das Kind dann zu Gesicht bekam. Heinz und Rudolf waren immer noch im Eßzimmer beschäftigt. Die alte Tapete ließ sich nur mühsam und in kleinen Stücken von den Wänden schaben. Laura war im Keller. Ihre Unterlagen für die Wettbewerbspräsentation hatte sie bei Weber und Wirtz abgeliefert, anschließend noch an einer endlosen Diskussion teilgenommen, aber ganz entschieden war die Sache noch nicht. Und ich saß oben vor der Maschine, einfach nur so. Eine Szene hatte ich mir am Vormittag abgequält. Für mein Empfinden war sie äußerst dürftig. Vielleicht hatte ich einfach schon zu viele Horrorsequenzen verheizt. Man konnte nicht ständig mit den gleichen Effekten agieren. Vielleicht war ich auch zu sehr mit der Frage beschäftigt, ob und wie ich Laura helfen konnte. Der Schreibtisch stand wie geplant direkt vor einem der Fenster, und die halbe Zeit schaute ich nur hinaus in den Garten. Rückblende: Die junge Laborassistentin steht vor der Geheimtür, der Schließmechanismus macht ihr Schwierigkeiten. Endlich ist auch das geschafft. Sie schleicht durch einen Gang zu einer weiteren Tür, dahinter liegt eine dunkle, enge Kammer. Ein Stöhnen! Das Mädchen läßt den dünnen Strahl einer Taschenlampe durch den Raum wandern. Im Strahl erscheint das weiße Metallgestell eines Bettes. Darauf der Körper einer Frau. So weit war ich am Morgen gekommen. Jetzt sollte ich beschreiben, in welch erbärmlichem Zustand sich die Geliebte des Wissenschaftlers befindet. Ihr Kind ist gerade erst geboren. Die Geburt hat sie ihre letzten Kraftreserven gekostet. Ganz wund und zerrissen liegt sie da. Im Roman hatte ich das so schön detailliert beschrieben. Eine klaffende Dammwunde, die Fleischfetzen, zwischen denen immer noch Blut hervorquoll. Für das Drehbuch wollte ich mich auf ein graues, eingefallenes Gesicht beschränken, schweißfeuchtes Haar, die Augen tief in den Höhlen. Dann sollte
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