Das Geheimnis der Puppe
entgegen. Ich mußte eine Minute warten, dann klang mir Vaters Stimme ins Ohr.
»Thomas? Was gibt’s denn?«
Ich schilderte ihm die Situation. Vater hörte schweigend zu. Als ich jedoch mit meinen Schlußfolgerungen begann, wurde ich gleich unterbrochen.
»Ach, Quatsch«, ein gutmütig sonores Lachen.
»Du schreibst zu viele Spukgeschichten. Laura ist völlig in Ordnung, dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Du wirst ihr ja wohl kaum zutrauen, ihre eigenen Entwürfe zu verderben. Wer weiß, wer da bei euch eingestiegen ist. Wenn ihr Tür und Fenster offen laßt, dürft ihr euch nicht wundern, wenn ihr Besuch bekommt. Aber vielleicht war es auch Danny. Es war halt ein bißchen viel Aufregung für ihn. Vielleicht wollte er sich einfach mal ungestört umsehen.«
»Könnt ihr ihn für ein paar Tage zu euch nehmen?«
»Das solltest du besser deine Mutter fragen. Die muß sich schließlich um ihn kümmern. Aber sie hat bestimmt nichts dagegen. Willst du ihn bringen?«
Das wollte ich eigentlich nicht. Ich hatte mir das eher als einen Überraschungsbesuch der lieben Eltern vorgestellt, die nur einmal sehen wollten, wie weit die Kinder denn nun mit ihrem Einzug ins neue Heim gekommen waren. Die dabei feststellen mußten, daß ihre Lieben noch mitten in einem Chaos hausten und aus Mitleid mit dem Enkel spontan den Vorschlag machten, diesen für eine Weile zu betreuen, bis denn seine Eltern in der Lage waren, dem armen Kind Ordnung und Gleichmäßigkeit zu bieten. So jedenfalls sollte es Laura gegenüber dargestellt werden. Und wenn Danny aus dem Haus war, würde ich schon herausfinden, wer sich nachts in die Dienstbotenkammer schlich. Vater lachte noch einmal.
»Von mir aus. Sagen wir, sieben, halb acht. Ich bin ja doch neugierig auf eure Villa.«
Sie kamen dann allerdings erst kurz nach acht. Ein bühnenreifer Auftritt. Vater ließ sich das Haus zeigen. Mutter jammerte angesichts der noch feuchten Tapeten im Wohnzimmer, daß man von diesem Geruch ja Kopfschmerzen bekomme. Dann kam endlich der Vorschlag:»Was meinst du, Danny? Möchtest du nicht lieber ein paar Tage bei Oma und Opa wohnen.«
Danny mochte nicht, winkte sogleich ab. Er war hier unentbehrlich, mußte unbedingt den Meisenbrüdern helfen, die anscheinend ohne ihn überhaupt nicht mehr zurechtkamen. Laura dagegen griff erleichtert zu. Sie ging gleich hinauf, um ein paar Sachen für ihn zu packen. Mutter begleitete sie, und Danny lief resignierend hinterher, um seinen Bauernhof reisefertig zu machen. Ich blieb mit Vater in der Küche zurück. Er saß mit Blickrichtung zur Tür, betrachtete nachdenklich die Eisenklappe, schaute zu Lauras Zimmer hinüber.
»Sie sollte sich ihr Arbeitszimmer oben einrichten?«, meinte er schließlich.
»Da ist doch Platz genug. Und da kommt sie erst gar nicht auf dumme Gedanken.«
Ganz so überzeugt, daß Laura völlig in Ordnung war, war er anscheinend nicht mehr. Meine Eltern blieben nicht mehr lange. Ich war erleichtert, als sie abfuhren. Danny winkte. Ich legte einen Arm um Lauras Schultern, wir gingen ins Haus zurück, beide gleichermaßen zufrieden. Heinz hatte uns geraten, die Terrassentür über Nacht nicht ganz zu schließen, damit die Feuchtigkeit abziehen konnte. Das erschien mir zu gewagt. Bis nach zehn hielten wir uns noch auf der Terrasse auf. Laura versuchte, im Licht, das aus dem Wohnzimmer nach draußen fiel, in Steiners Tagebuch zu lesen. Es gab eine kurze Eintragung von Dezember. Die Schrift war verschmiert. Aber Laura war inzwischen hinlänglich geübt, die Kürzel in verständliche Worte umzusetzen.
»Wenn Elisabeth nur mit mir reden würde. Sie weint viel, verzeihen wird sie mir nie.«
Laura schaute kurz auf.
»Das Kind war doch von ihr«, stellte sie fest.
»Wahrscheinlich wollte sie keins mehr. Und vielleicht hatte er es satt, alleine hier zu sitzen, während sie auf Tournee ging. Da hat er ihr eben noch ein Kind gemacht. Ein mieser Trick, und es hat nicht funktioniert.«
Laura blätterte weiter, irgendwie gierig, süchtig auf die nächste Stelle Verzweiflung. Januar. Die Ehe der Steiners befand sich offensichtlich in einer schweren Krise. Februar, Elisabeth Steiner komponierte wie besessen. Trauerklänge, schrieb er. März, Steiner hatte versucht, seine Frau mit einer kleinen Feier aufzumuntern, vergebens. Laura lehnte sich zurück, das Buch aufgeschlagen auf dem Schoß.
»Sie war depressiv, da halte ich jede Wette. Jeden von diesen Sätzen könnte auch Vati geschrieben haben.«
Dann
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