Das Geheimnis der Puppe
göttliche Elisabeth werfen.«
fragte sie dabei. Ihre Stimme troff vor Ironie. Sie zeigte auf das Album. Auf den aufgeschlagenen Seiten waren insgesamt acht Fotografien festgeklebt. Zwei davon zeigten ein Paar Anfang Dreißig hinter zwei Jungen stehend. Die Kinder mochten zum Zeitpunkt der Aufnahme sieben und neun Jahre alt gewesen sein. Dann gab es ein Foto von doppelter Postkartengröße. Es zeigte Elisabeth Steiner in Abendgarderobe an einem Flügel. Im Geist hörte ich Bert sagen:»Elisabeth Steiner war eine schöne Frau.«
Das war sie in der Tat. Ein edles Gesicht, ein besserer Ausdruck fällt mir dazu nicht ein. Ein graziler Körper, schmale Hände auf der Tastatur. Und Steiner, nun ja, er sah nicht übel aus. Ein glattes, markantes Gesicht mit einer faszinierenden Ausstrahlung. Stolz, selbstbewußt, ein Mann, der genau wußte, was er wollte und das wahrscheinlich auch immer bekommen hatte. Dann gab es zwei Fotos, auf denen nur die Steiners abgebildet waren und eine weitere Aufnahme von den beiden Söhnen. Und dann gab es noch zwei Bilder. Auf dem einen war ebenfalls die komplette Familie zu sehen. Sie und er hinten. Er hatte einen Arm um die Schultern seiner Frau gelegt, lachte sie an. Sie hatte eine Hand auf die Schulter des größeren Jungen gelegt, der direkt vor ihr stand. Und daneben stand ein junges Mädchen mit Lauras Gesicht, das den jüngsten Sohn der Steiners auf dem Arm hielt.
»Wie alt, meinst du«, fragte Laura, »war sie da.«
»Sechzehn«, sagte ich, »höchstens siebzehn.«
Laura nickte gedankenverloren.
»Sie sieht zufrieden aus, findest du nicht? Sogar ein bißchen glücklich. Mit solch einem Gesicht habe ich sie nie gesehen.«
Ich stand neben ihr und wußte nichts mehr zu sagen. Ich hätte sie gerne in den Arm genommen, sie getröstet, entschädigt oder wie immer man es nennen will. Sie beugte sich etwas vor, betrachtete das Bild, als könne sie sich daran nicht satt sehen.
»Sieh nur, wie sie den Kleinen hält. Sie war bestimmt gut zu den Kindern.«
Vor lauter Hilflosigkeit wurde ich wütend. Wütend auf Marianne, die Steiners, sogar auf den Fotografen, der diese Aufnahmen gemacht hatte. Aber auch ich traf mit meiner Wut die Falsche. Mit einem satten Plopp knallte ich den Rückdeckel des Albums nach vorne und schrie Laura an:»Hör auf damit. Mach dich doch nicht selbst fertig. Es gibt eben Dinge, die kann man nicht mehr ändern. Die muß man akzeptieren, oder man muß sich von ihnen befreien.«
Im ersten Augenblick starrte Laura mich nur an, kniff die Augen zusammen und zog die Stirn in Falten, sichere Zeichen ihrer Wut. Dann sagte sie ruhig:»Oder man findet heraus, warum die Dinge so geworden sind. Und das werde ich tun. Ich will wissen, was hier mit ihr passiert ist. Ich will wissen, warum sie so geworden ist. Sie haben sie kaputtgemacht.«
Laura nahm das Album an sich, drückte es mit beiden Händen gegen die Brust. Es hatte einen losen Umschlag, in den die beiden Deckel jeweils nur mit einer Kante eingesteckt waren. Und als Laura es so hielt, fiel ein Foto zu Boden. Es war nicht eingeklebt gewesen wie alle anderen. Es war lose unter den Umschlag gesteckt, versteckt worden. Ich hob das Bild auf. Darauf war ein Teil des Zimmers zu erkennen, in dem wir standen. Der Tisch, den Laura unter das Fenster geschoben hatte, ein Stuhl davor. Das Bett mit seinen karierten Bezügen. Und Marianne in diesem Bett, ein wenig erschrocken und verlegen in die Kamera lachend, die Decke mit beiden Händen vor der Brust haltend. Darüber die nackten Schultern. Laura griff nach dem Bild und riß es mir aus den Fingern, bevor ich das verhindern konnte. Sie betrachtete es sekundenlang mit einem Gemisch aus Erstaunen und Abwehr. Dann meinte sie ruhig:»Ich hätte nicht übel Lust, Vati zu fragen, ob sie noch Jungfrau war, als er sie kennenlernte. Wer, schätzt du, hat sie nachts in ihrem Zimmer besucht und das hier aufgenommen.«
Es lag auf der Hand, aber ich blieb ihr die Antwort schuldig. Ich wollte nicht, daß sie sich weiter damit quälte. Daß sie in Dingen herumstocherte, für die man niemanden mehr zur Rechenschaft ziehen konnte. Ich nahm ihr das Album aus den Händen. Laura ließ es geschehen, ohne sich zu rühren. Als ich es zurück in den Karton legte, erklärte sie leise:»Ich kann dir sagen, was passiert ist. Seine angebetete Elisabeth war sauer, weil er ihr noch ein Kind gemacht hatte. Sie sprach nicht mehr mit ihm, da steht zu vermuten, daß sie ihm auch auf anderen Gebieten ihre
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