Das Geheimnis der Rose
tot! ja, das oder durch einen Unfall entstellt … oder vielleicht hat sie den Schleier genommen und versteckt sich in einem Kloster …«
»Alle diese Möglichkeiten sind in Betracht gezogen worden – aber keine hat sich bestätigt.«
»Wäre sie am Leben, würde sie sich melden und ihren Platz als die nächste Herzogin von Leeds einnehmen.«
Damon zuckte die Schultern. »Es ist möglich, dass ihr die Vorstellung von mir als Ehemann nicht behagt«, sagte er trocken.
Auf Paulines Gesicht zeichnete sich deutlich sichtbar ein Kampf ab; vor Wut und Verlangen traten kleine blaue Venen an ihren Schläfen und ihrem Hals hervor. »Was wirst du wegen Mrs. Wentworth unternehmen?« fragte sie mit zitternder Stimme. »Oder brauchst du eine ganze Kollektion von Frauen zu deiner Verfügung?«
»Sie hat nichts mit Julia Hargate oder mit dir zu tun.«
»Sie wird mein Ersatz«, schnaubte Pauline. »Ungeachtet dessen, was du mir angetan hast oder was du mir schuldest!«
Als er Paulines wutverzerrtes Gesicht betrachtete, tauchte ein anderes Bild in Damons Gedanken auf … Jessica Wentworths klare türkisfarbene Augen und der Schimmer des Mondscheins auf ihrer Haut. Weil ich keine Affäre mit Ihnen will, hatte sie gesagt … und in unserer Situation könnten Sie mir nichts anderes bieten.
»Ich werde sie nicht wiedersehen«, sagte Damon ru hig. »Sie verdient weit mehr, als ich ihr geben kann.«
»Und was ist mit mir?«
»Für dich wird gesorgt. Für dich und das Kind. Aber es wird nicht mehr dasselbe zwischen uns sein, Pauline.«
Sie entspannte sich deutlich und entschied sich offensichtlich dafür, seine Andeutung zu übergehen »Natürlich«, sagte sie mit sanfterer Stimme. »Ich wusste, dass du mich nicht verlässt, Liebling.« Sie streckte flehend die Hand nach ihm aus, und ihre roten Lippen öffneten sich einladend. Damon schüttelte den Kopf und ging zur Schlafzimmertür. Er brauchte seine ganze Selbstbeherrschung, um nicht aus dem parfümierten Gefängnis wegzulaufen. »Damon, wir müssen uns unterhalten!«
»Später«, murmelte er, dankbar für jeden Schritt, den er sich von ihr entfernte. Er wollte nicht lieben oder reden …
er wollte aufhören, zu denken und zu fühlen, wenigstens für eine Weile.
Madame Lefevrbres Geschäft war erfüllt von dem beißenden Geruch nach Farbe, Stoff und dampfendem bernsteinfarbenen Tee. Es gab andere, eleganter ausgestattete Damenschneidereien in London, mit Möbeln, die mit Samt gepolstert waren, und Wänden mit goldgerahmten Spiegeln, aber keine zog die reiche und kri tische Kundschaft an wie Madame Lefevrbre. Julia mochte die einfachen, schmeichelnden Entwürfe der einfallsreichen Französin und ihre schönen Seidenstoffe, Musselins und weichen Wollstoffe, die sie verarbeitete.
Madame Lefevrbre unterbrach ihre Unterhaltung mit einer anderen Kundin, um Julia persönlich im Geschäft zu begrüßen. Sie schätzte Julia als Kundin nicht nur wegen ihrer wachsenden Berühmtheit, sondern auch weil Julia ihre Rechnungen immer prompt bezahlte – im Gegensatz zu den unzähligen Frauen, die erst widerwillige Ehemänner oder Geliebte dazu überreden mussten, ihre neuesten Kleider zu bezahlen.
»Mrs. Wentworth, Sie sind früh dran für Ihre Anprobe!« rief Madame Lefevrbre und führte Julia zu einem Stuhl bei einem Tisch, der mit Stapeln von Entwürfen, Stoffmustern und Puppen überladen war, die Miniaturversionen der neuesten Mode trugen. »Wenn Sie vielleicht hier ein paar Minuten warten könnten …«
»Sicher, Madame.« Sie lächelten sich an und betrachteten sich mit dem gegenseitigen Respekt zweier Frauen, die daran gewöhnt sind, für sich selbst zu sorgen. Julia setzte sich auf den abgenutzten Stuhl, lehnte eine Tasse Tee ab und sah den Stapel mit Modezeichnungen durch.
»Ich werde gleich wieder bei Ihnen sein«, sagte die Schneiderin und verschwand hinter den Musselinvorhängen, die zum hinteren Teil des Geschäfts führten.
Als Julia über einem besonderen Entwurf verharrte, einem Hauskleid mit schmaler Silhouette und Satinbändern, die sich über den Brüsten kreuzten, bemerkte sie, dass der Stuhl neben ihr besetzt war.
Die hübsche dunkelhaarige Frau nahm eine Puppe und spielte mit der winzigen gerüschten Halskrause. Sie sah Julia an und lächelte leicht.
Julias Lächeln wurde schwächer, als sie erkannte, dass es sich bei der Frau um Lady Ashton handelte. Sie stöhnte innerlich und fragte sich, weshalb ausgerechnet ihr ein so unglücklicher Zufall
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