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Das Geheimnis der Rosenkreuzerin

Das Geheimnis der Rosenkreuzerin

Titel: Das Geheimnis der Rosenkreuzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Klausen
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Meditationen und Visualisierungen half Hafis ihr deshalb dabei, die vierte Stufe zu erreichen und zum nafs-i-mutmainna , zum stillen Menschen, zu werden, also zu jenem, der eine vollkommene Ausgeglichenheit in sich erreicht. »Keine unbedachte und ungefühlte Reaktion darf deiner Seele entkommen, keine unbedachte und ungefühlte Reaktion darf in dir entstehen!«, erklärte er ihr.
    Und so lernte sie, ihren Atem zu beherrschen, sie konnte ihn genau fühlen und sogar anhalten. Von der letzten Übung, die den Atem sehr flach und gleichmäßig werden ließ, so dass er ohne Widerstände zu erzeugen floss, ging sie zum Meditieren über und dachte an die Spiele mit ihrem Bruder. Als sie das Lächeln des Fünfjährigen vor sich sah, das sich nicht veränderte, als wäre die Zeit stehengeblieben, jedoch nicht erstarrt, sondern wie eine Bewegung ohne Bewegung, spürte sie einen großen Frieden in sich, als ob sie sich selbst umfinge und endlich bei sich selbst angekommen wäre. Mitternacht war längst vorbei, als sie aus der Meditation wieder aufstieg.
    »Jetzt kann ich dir nur noch beim Erreichen einer Stufe, nafs-i-radiyya , behilflich sein«, sagte Hafis. »Das ist meine Stufe, die Stufe des Erfülltseins.«
    »Und dann?«
    »Dann folgen die Stufen des erfüllenden und des geläuterten und des vollendeten Menschen, der in andere Dimensionen des Denkens, Fühlens und Handelns vorgestoßen ist, der die Welt so erkennen kann, wie sie tatsächlich ist, durch alle Täuschungen das Wahre sieht und andere Menschen lehren kann.«
    »Die Stufe, auf der die Weisen stehen?«
    »Ich weiß es nicht. Wir werden sehen!«
    Nach zwei Tagen erreichten sie Al-Qusayr und gingen von Bord.
    Al-Qusayr war mit ihren zumeist eingeschossigen Lehmhütten eine eher armselig anmutende Stadt, verfügte aber über einen ausgesprochen vital wirkenden Hafen. Schimpfen, Brüllen, Singen, Jammern, Laute des Spotts und der Heuchelei drangen an ihr Ohr. Ägypter mit fliederfarben schimmernder Haut und schwarze Nubier – halbnackte Frauen, Männer und Kinder –, die zum Verkauf bestimmt waren, sowie vollkommen in wei ße Gewänder gehüllte arabische Kaufleute füllten den rechteckigen Platz vor der Mole, die aus Holz errichtet war und einen reparaturbedürftigen Eindruck machte. Ein ärmlicher Händler bot Vögel in Käfigen an, die auf seinem Handwagen standen oder an einem daran befestigten Gestell hingen. Andere boten Fladenbrote oder Hammelspieße feil. In einem Käfig fletschte ein hundeartiges Tier die kräftigen Zähne.
    »Eine Hyäne«, raunte ihr Hafis zu. »Im Rudel sind sie gefährlich.« Daran zweifelte Maria nicht.
    »Lass uns nach einer Karawane Ausschau halten, die nach Theben geht. Von dort fahren wir dann weiter auf dem Nil nach Kairo.« Hafis blickte sich um, dann hatte er entdeckt, was er suchte. »Warte hier«, rief er ihr zu, dann war er auch schon auf dem Weg zu einer Bretterhütte, die ganz und gar nicht vertrauenerweckend wirkte.
    Sie schaute sich derweil weiter um. Ein Muezzin ließ seinen Gebetsruf erklingen, was ihre Aufmerksamkeit auf eine gekalkte Moschee mit kleiner Kuppel und einem nied rigen Turm lenkte. Dann lockte sie das verspielte metallische Klingen der Schläge eines Schmiedes an. Neugierig folgte sie dem Geräusch und stieß auf einen muskulösen Mann mit grobem Gesicht, welcher mit muskelbepacktem Arm, der sich im Vergleich zu dem gewaltigen Hammer in seiner Hand wie ein Kinderspielzeug ausnahm, auf einen Amboss einhieb. Schnell erkannte sie an der getriebenen Form des Eisens, dass es ein Säbel werden würde.
    Ohne seine Arbeit zu unterbrechen, sprach er sie an. »Nun, junger Herr, Interesse an einem Schwert oder einem Säbel? Ich habe auch schöne Dolche.«
    »Zeig einmal, was du hast!«, entgegnete sie und gab sich Mühe, so rau wie möglich zu klingen.
    Sein Blick blieb an dem Dolch hängen, den sie in ihrem Gürtel trug. »Ein schönes Stück. Eine Damaszenerklinge«, sagte er mit ehrlicher Anerkennung. »Du kennst dich aus. Dann habe ich nur eine Waffe, die ich dir anbieten kann. Ich habe das Schwert vor einigen Jahren geschmiedet. Niemand wollte es haben. Die Menschen haben Angst vor ihm.« Der Schmied lachte wild auf.
    Wenn sie erwartet hätte, dass er ihr einen Saif, einen arabischen Krummsäbel, anbieten würde, hätte sie sich getäuscht, denn der Schmied präsentierte ihr ein Schwert mit gerader, schlanker Klinge und dem typischen Muster der Damaszenerklinge.
    »Dieses Schwert wartet auf seinen Herrn.

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