Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
wurde.
Das Meer war ruhig und von einer tiefen blauen Farbe, der Himmel über ihnen strahlte hellblau im gleißenden Licht der Mittagssonne.
»Wusstet Ihr eigentlich, Commissarius, dass sich Rhodos von einem altgriechischen Wort für Rose ableitet?«, fragte Theophil spitzfindig, wohl wissend, dass Matthias das wohl kaum wissen konnte, da er des Griechischen nicht mächtig war.
»Nein, das wusste ich nicht.« Matthias verstand den Seitenhieb Theophils sehr wohl, der ihn in den letzten Tagen immer häufiger bedrängt hatte, sein Wissen um die verbotene Schrift vollends preiszugeben. Dabei wusste Matthias selbst nicht, wie er über den Inhalt dieses Evangeliums, das manche in Rom mehr fürchteten als der Teufel das Weihwasser, denken sollte. Aber es gab ja noch mehr als das Wissen um dieses Evangelium, das keines im Sinne der Kirche Roms war. Nicht nur diese Schrift – sein Wissen reichte noch viel weiter. Dabei dachte er an Carmen, Frater Jakob aus dem Kloster Altenberg im Bergischen Land, Juan Brix Martinez, den Abt von St. Juan de la Peña, und die vielen Anderen, die seine Wege bisher gekreuzt hatten. Wie es Carmen wohl ging? Was sie wohl jetzt machte?, ging es ihm durch den Kopf. Ob er rechtzeitig zurück sei, um das Unheil, das sich über Juan Brix Martinez zusammenbraute, abwenden zu können? Maurus van Leuven drängte sich wieder in seine Gedanken. Ja, wenn Maurus nur hier wäre, dann wären wir schon einen Schritt weiter, dachte Matthias und musste unwillkürlich an das Papyrus denken, das Pater Theophil schon mehrfach vehement eingefordert hatte. Doch Theophil hatte sich für Matthias’ Geschmack in der letzten Zeit zu sehr mit diesem Kaufmann aus Brügge angefreundet, dem Matthias immer noch nicht über den Weg traute. Doch konnte Matthias bisher keinen Beweis für seinen Verdacht gegen diesen Mann erbringen.
Rhodos heißt Rose, überlegte er weiter, wie passend, wie passend zur Rosenlinie. Sollte sich ihm hier auf Rhodos das ganze Geheimnis offenbaren? Sollte er hier den Beweis für die Existenz Maria Magdalenas und Jesus Christus finden? Das Geheimnis des Glaubens, pochte es in seinem Hinterkopf.
»Habt Ihr die Türme links und rechts der Hafeneinfahrt gesehen? Der Legende nach standen an diesen Stellen einst die Beine des Koloss von Rhodos, der die Einfahrt in den antiken Hafen bewachte«, erklärte Theophil. »Heute wird sie von einer Festung bewacht.«
»Ihr wisst eine Menge über die griechische Geschichte«, bemerkte Matthias anerkennend.
»Ja, aber das ergibt sich auch aus meiner Liebe zu Gott und der heiligen Mutter Kirche. Denn schließlich war es der Apostel Paulus, der hier die erste christliche Kirche gründete, auf einer seiner Missionsreisen. Rhodos ist einer der ältesten Bischofssitze. Er wurde schon im ersten nachchristlichen Jahrhundert gegründet.«
Die Dau hatte sich inzwischen so weit dem Hafen genähert, dass die dort ankernden Schiffe mit bloßem Auge zu erkennen waren.
» El-Qaraseena, El-Qaraseena El Turkije – Piraten, türkische Piraten!«, rief jetzt der Ausguck laut.
Erschrocken sah Theophil Sulaiman al Mazar an.
»Was ist, was hat der Mann gerufen?«, wollte Matthias wissen.
»Ihr müsst keine Angst haben«, erklärte der alte Sulaiman al Mazar. »Im Hafen liegen drei Schiffe der türkischen Flotte. Meine Leute sehen alle türkischen Soldaten als Piraten an. Aber seht Ihr das Schiff dort mit dem grünen Segel?«
»Ja, was ist damit?«, antwortete Theophil.
»Sklavenhändler«, stellte al Mazar kurz fest. »Gefährliche Leute, sehr gefährlich. Wahrscheinlich wird auf Rhodos wieder ein Sklavenmarkt stattfinden. Wir werden in Rhodos-Stadt nicht an Bord wohnen, sondern meinen Vetter Ahmed besuchen. Er ist Händler, genau wie ich, und er spricht eine Eurer Sprachen. Hatte viel in Messina, Neapel und Genua zu tun.«
»Welche Art Handel betreibt er denn?«, fragte Matthias, nachdem ihm Theophil alles übersetzt hatte.
»Oh, er ist sehr vielfältig. Er handelt mit Gewürzen, kostbarer Seide und anderen edlen Stoffen. Er handelt mit Schafen und Ziegen, wohl auch mit Räucherwerk. Er hat Weihrauch und Myrrhe sogar schon an Euren Erzbischof von Genua geliefert. Er ist ein sehr geschickter Kaufmann und manchmal macht er auch undurchsichtige Geschäfte, wenn das Risiko gering, der Gewinn aber sehr groß ist.«
Matthias lachte.
»Klingt nach einem sehr gerissenen Kaufmann«, stellte er fest.
»Aber was meint Ihr mit undurchsichtigen Geschäften? Er handelt doch nicht
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