Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
unbeholfen zwischen den Bäumen über den Wagen spannte, um darunter Schutz vor den Wassermassen zu suchen, nicht bemerkend, dass er bereits bis auf die Haut nass war. Der immer noch starke Wind ließ ihn zittern, die Nässe kroch ihm langsam und entsetzlich kalt in die Glieder. Maurus holte schnell seinen Mantel unter dem Kutschbock heraus, legte sich das trockene Kleidungsstück um und kauerte sich, mit den Händen die Knie umschlingend, an ein Wagenrad. Dann beobachtete er den Regen, der manchmal wie eine sprudelnde Quelle vom Himmel zu fallen schien oder in dichten Wirbeln von Sturmböen über das Land gefegt wurde, um an Bäumen und Sträuchern letztendlich zu zerbrechen. Er blickte zum Himmel und konnte nur noch inbrünstig um ein Ende dieser Sintflut beten.
Doch das Unwetter tobte noch mehrere Stunden und ließ erst mit hereinbrechender Dunkelheit nach. In der Windstille fror Maurus nicht mehr so sehr, die Luft war nicht mehr so drückend. Aus Angst, Straßenräuber anzulocken, verzichtete er jedoch darauf, ein Feuer anzumachen und schlief erschöpft auf dem Boden neben seinem Karren ein.
Nach der durchfrorenen Nacht mit kaum mehr als drei Stunden Schlaf machte sich Maurus schon früh am Morgen wieder auf den Weg. Der Wagen ächzte und knarrte über die aufgeweichten Wege, das Maultier gehorchte zu Maurus’ Freude seinen Anweisungen ohne störrisch zu werden und kämpfte sich wacker durch tiefe Pfützen. So manches Mal musste Maurus vom Sturm abgebrochene Äste aus dem Weg räumen.
Nach etwa fünf Stunden waren beide völlig erschöpft. An einem Bachlauf schlug Maurus sein Lager auf. Wieder war er in der Einöde, weit weg von den Dörfern, die er vor zwei Stunden passiert hatte. Wann er den nächsten Weiler erreichen würde, wusste er nicht und rechnete damit, die kommende Nacht wieder im Freien zu verbringen. Während das Maultier auf einer Wiese am Bachlauf graste, nahm der Jesuit einen Beutel mit trockenem Pökelfleisch und schnitt sich ein Stück ab. Nur des Hungers wegen kaute er auf dem Stück Fleisch herum, löschte danach seinen Durst am Bach. Erschöpft von den Anstrengungen des hinter ihm liegenden Tages schlief er rasch ein.
Am nächsten Morgen dankte er Gott mit einem langen Gebet, dass er noch lebte, nicht ausgeraubt worden und das Wetter trocken und von den Temperaturen her angenehm war. Prüfend blickte er zum Himmel. Das Wetter würde sich halten, so glaubte er, war doch kaum eine Wolke zu sehen. Seine Hoffnung auf einen guten Verlauf der Reise an diesem Tag wuchs und ließ ihn frohgemut das Maultier anspannen und seinen Weg fortsetzen. Irgendwann am Nachmittag kam er an einem Wegkreuz vorbei. Hier in der Nähe muss eine Siedlung sein, schloss er daraus und trieb das Maultier an. Wenig später fand er einen Grenzstein, auf dem Wasseiges geschrieben stand.
Eine knappe halbe Stunde darauf erreichte er einen kleinen Hof. Der Bauer, ein kleiner, knurriger Wallone mit dunkelbraunen, graumelierten Haaren, gestattete Maurus nach zäher Verhandlung und gegen ein fürstliches Entgelt in der Scheune abseits des Hofes, neben einer leeren Pferdekoppel gelegen, zu übernachten.
In dieser Nacht wurde Maurus durch lauten Donner geweckt. Grelle Blitze zuckten über den Nachthimmel und tauchten das Scheuneninnere durch die zahlreichen Ritzen und Fugen in ein gespenstisches Licht. Dem Donner folgte lautes Krachen ganz in der Nähe. Vorsichtig öffnete Maurus das Scheunentor einen Spalt breit und lugte hinaus auf die Pferdekoppel. Weit hinten stand ein Baum, der jetzt brannte, ein Blitz hatte eingeschlagen und den Baum geteilt, was das krachende Geräusch erklärte, das Maurus gehört hatte. Die eine Hälfte des Baumes lag am Boden, die andere stand noch aufrecht, brennend wie ein Fanal, das mahnend zum Himmel zeigte.
Als Maurus den Kopf zurückziehen wollte, glaubte er im Augenwinkel eine Gestalt zum Bauernhaus huschen zu sehen. Er spähte hinüber und versuchte, zwischen Regen und Dunkelheit etwas auszumachen. Aus einem kleinen Fenster schien schwach ein Licht. Die Dunkelheit verschluckte den schwachen Schein wie ein finsterer Schlund. Sonst war nichts weiter zu sehen.
Maurus grübelte und grübelte. Dachte an den Dominikanermönch. War er die Gestalt, die im Bauernhaus verschwunden war oder war es nur einfach ein Besucher des Bauern? Wenn er es war, warum verfolgt er mich? Reglos harrte Maurus am Scheunentor aus und hoffte, die Gestalt noch einmal zu sehen, um sich Gewissheit zu verschaffen.
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