Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
blutigen Gemetzel. Damals hatte ich den Entschluss gefasst, ein Streiter Gottes zu werden. Nicht mit dem Kreuz, sondern mit dem Schwert in der Hand. Magister Caesarius hatte mich gelehrt, immerfort in Gottes Sinn und Rat zu handeln. Ich erkannte, es sei besser, selbst Ritter zu werden als nur deren Taten zu schmähen. Nur so dünkte mir, ritterlicher zu handeln als es damals geschah. Heute noch gellen die verzweifelten Schreie der Frauen und Kinder in meinen Ohren, sehe ich die grauenvollen Bilder der abgeschlagenen Glieder, der zerschlagenen Leiber und das viele Blut, das durch die Straßen floss. Heinrich von Sayn erfüllte sein Versprechen an mir und nahm mich als Knappen in seinem Hause auf. Sein Schwertmeister unterwies mich im Gebrauch des Schwertes sowie er mich auch in den Tugenden der Ritter unterwies. Caesarius ward damals sehr traurig über meinen Entschluss, das Kloster zu verlassen. Aber er zeigte auch Respekt vor meiner Entscheidung, die mich nie gereut hat.
Nach dieser Zeit als Knappe besuchte ich meinen alten Meister wieder. Ich stand in meinem vierzehnten Jahre, der erste Bartflaum zeigte sich endlich auf meinem Antlitz.
Damals hegte ich die zärtlichsten Gefühle für meine Herrin, Heinrich von Sayns ältere Schwester Adelheid. Heimlich brachte ich ihr Blumen dar, bis eines Tages ihre jüngere Schwester Agnes gewahr wurde, dass ich meiner Angebeteten wieder heimlich Blumen in die Kammer stellte.
Agnes unterrichtete meinen Herrn darüber. Der junge Graf Heinrich, ein großer Kerl mit erstaunlichen Körperkräften, hat mich darauf furchtbar gezüchtigt.
Meinen Herrn verließ ich unmittelbar nach der Schwertleite. In diesen Tagen hatte Papst Honorius III. die Christenheit zum Kreuzzug aufgerufen. Doch will ich nicht vorgreifen und der Reihe nach berichten.
Ein Jahr nach unserer Rückkehr aus Occitanien wurde Engelbert von Berg mit dem geistlichen Amt des Propstes von Sankt Severin zu Cölln versehen. Aus Dankbarkeit und Freude über diese Ehre lud er alle Mitstreiter des Kreuzzuges gegen die Katharer auf Schloss Burg an der Wupper ein, um dort gemeinsam mit uns zu feiern.
Dorten fanden wir uns ein, jedweder Getreue, die damals mich und die kleine Sophia beschützt und uns nach Rhedae geleitet hatten.
Allweil waren dies: Engelbert von Berg, der neue Propst von Sankt Severin zu Cölln, sein älterer Bruder Graf Adolf von Berg, sein Vetter Friedrich von Isenberg, der bei den Kämpfen um Béziers Vater und Bruder verlor, ein weiterer Vetter namens Wilhelm von Jülich, mein ehemaliger Meister Caesarius von Heisterbach sowie mein neuer Schwertmeister Heinrich von Sayn, der mich leichten Herzens mitnahm und als seinen Knappen vorstellte.
»So ist das Gleichgewicht ja wieder hergestellt, Wilfred«, sprach Engelbert zu mir. »Während der eine im Schoß der Heiligen Mutter Kirche wieder aufgenommen wird, um endlich seiner Bestimmung zu dienen, scheidet ein anderer aus, wohl ebenso auf der Suche nach seiner Bestimmung. Mit Heinrich hast du einen guten Lehrmeister.«
»Den besten«, antwortete ich nicht ohne Stolz und handelte mir für meine vorlaute Bemerkung gleich einen Backenstreich von Heinrich ein. »Habe ich dich nicht Demut und Höflichkeit gelehrt, Wilfred?«, tadelte er mich sogleich; ich schämte mich und verfolgte den Rest des Festes still.
Wir speisten und tranken so gut und üppig wie schon lange nicht mehr.
»Ein jeder von uns wurde wieder in den Schoß der Heiligen Mutter Kirche aufgenommen. Jeder erhielt seine Ämter und Güter zurück, unsere Ehre ist wieder hergestellt«, eröffnete Engelbert seinen Trinkspruch. »Wem haben wir all das zu verdanken? Nicht unserer Teilnahme an jenem Kreuzzug gegen die Ketzer, die wir zu Gottes höherer Ehre erschlagen und verbrannt haben. Nein, wir haben es einer kleinen Dirne zu danken, die wir zu schützen versprochen hatten. Wie hatte ich an den Worten des Paters, in dessen Obhut wir sie gaben, gezweifelt. Doch je näher wir der Heimat kamen, umso stärker wurde das Gefühl in mir, das Richtige getan zu haben, so wie es viele andere Ritter getan haben, noch bevor uns die Ehre zuteil wurde, dem Geheimnisse zu dienen, die Johannesritter von San Juan de la Peña. Darum Freunde, Beschützer der Blutlinie, lasst uns einen heiligen Schwur sprechen, der uns fürderhin noch enger an das Geheimnis bindet und lasset uns fortan den hohen Namen Fraternitas equitati Ioannis de Colonia führen – die Bruderschaft der Johannisritter von Cölln.«
Ein jeder der
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