Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
Unaufhörlich fixierte er das schwach erleuchtete Fenster der Bauernkate. Nichts geschah. Doch als Maurus allmählich unsicher wurde, ob er überhaupt etwas gesehen hatte oder ob sein übermüdetes Gehirn schon fantasierte, spritzte plötzlich etwas von innen gegen das kleine Fenster des Hauses und färbte es dunkel. Maurus erschrak und wollte nur noch weg. Fieberhaft überlegte er wohin. Weg, einfach nur weit weg. Gleich würde sein Verfolger herüber kommen und nach ihm suchen. Er griff nach seiner ledernen Tasche mit den Dokumenten und rannte hinaus auf die Koppel. Der brennende Baum! Intuitiv ahnte er, dass sein Verfolger ihn dort nicht suchen würde. Er versteckte sich bäuchlings hinter der am Erdboden liegenden Baumhälfte, das Haus und die Scheune beobachtend, im Schlamm im strömenden Regen.
So verbrachte er die Nacht ruhelos, in Angst und Schrecken. In der Morgendämmerung wagte er sich endlich aus seinem Versteck und schlich vorsichtig zum Haus. Das kleine Fenster war blutverschmiert, Maurus schauderte, es schnürte ihm die Kehle zu. Meuchelmörder, ein Meuchelmörder verfolgt dich, schoss es ihm durch den Kopf und ließ ihn am ganzen Körper zittern. Gerade, als er einen Blick durch das kleine Fenster in das Innere riskieren wollte, flog die Tür auf. Maurus van Leuven blieb vor Schreck fast das Herz stehen und er erstarrte. Der Bauer stand vor ihm, blickte überrascht und fragend auf Maurus
»Was macht Ihr denn hier? Was ist denn mit Euch los? Ihr seht ja schlimm aus!«
Maurus löste sich langsam aus seiner Starre. Mühevoll bewegte er die Lippen, versuchte ein paar Wörter zu formen, doch seine Zunge klebte am Gaumen fest und ließ sich kaum drehen. Ohne zu reden, zeigte er nur auf das blutverschmierte Fenster. Der kleine Wallone guckte neugierig.
»Ach, das meint Ihr! Ja, mein Weib schlachtete gestern Abend noch ein Huhn. Als sie dem Vieh gerade den Kopf abgehackt hatte, glitt es aus ihren Händen und flatterte gegen das Fenster. Jetzt ist es im Topf und ich wollte Euch gerade fragen, ob Ihr auch eine warme Mahlzeit braucht.«
Das war zuviel für Maurus. Seine Beine wurden butterweich, seine Sinne schwanden und er sank zu Boden.
Als er wieder zu sich kam, blickte er in das Gesicht einer Bauersfrau. Ihr Gesicht, von Wind und Wetter gegerbt, strahlte große Ruhe aus, erinnerte Maurus ein wenig an seine Mutter. Ihre kleine Hand tupfte Maurus behutsam mit einem feuchten Tuch das Gesicht ab.
Der Jesuit wollte sich aufrichten, wurde aber von der Bäuerin sacht zurückgedrängt.
»Bleibt liegen«, gab sie dann mit einer Stimme wieder, die überhaupt nicht zur übrigen Erscheinung passen wollte.
»Was ist geschehen?«, fragte Maurus und fasste sich an den schmerzenden Kopf.
»Ihr seid ohnmächtig geworden«, erklärte sie kurz. Maurus drehte die Augen nach links und rechts.
»Wie komme ich hierher?«
»Mit Eurem Wagen, erinnert Ihr Euch nicht mehr?«
»Ach Quatsch, natürlich. Ich meine, wie komme ich ins Haus?«
»Mein Mann und ein anderer Gast brachten Euch rein.«
»Ein anderer Gast? Wer?« Maurus befreite sich aus dem Griff der Frau und richtete sich auf.
»Ein Wanderer, er kam spät in der Nacht, mitten im Gewitter. Ein Mönch«, sagte sie tonlos.
»Ein Mönch! Was für ein Mönch?«
Die Frau tauchte das Tuch erneut in eine Schüssel mit Wasser, wrang es aus und drückte es Maurus gegen die erhitzte Stirn. »Ein Mönch eben. Ich weiß nicht von welchem Orden er ist. Da kenne ich mich nicht aus.«
»Und Euer Mann? Kennt der sich aus?«
»Albert? Nein, der hat mit der Kirche gar nichts am Hut.«
»Ist er noch da?«
»Wer? Albert?«
»Ich meine den Mönch!«
»Nein, der ist schon wieder weg.«
»Wann ist er gegangen?«
»Gestern!«
»Wie?« Jetzt sprang Maurus auf. »Habe ich seit gestern hier geschlafen? Warum hat mich niemand geweckt?«
»Ihr hattet Fieber, Herr. Man sollte solch eine Gewitternacht auch nicht im Freien verbringen«, entgegnete die Frau entrüstet. Beleidigt erhob sich die Bäuerin und ging wortlos zum Kamin, wo ein Kessel über dem Feuer hing, nahm eine Schöpfkelle und füllte eine Schale für Maurus.
»Hier, esst, damit Ihr wieder zu Kräften kommt – und dankt Gott für Euer Obdach. So ein Sauwetter kann einem schneller den Tod bringen als man denkt!«
Schweigend setzte sich Maurus an den Tisch und aß das eingekochte Hühnerfleisch mit einem Kanten Brot dazu. Zu seiner Überraschung schmeckte ihm die graue Masse und weckte seine Lebensgeister. Warum nur
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