Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
Schließlich erhob sich der König und sagte zugunsten Magister Konrads aus, dass dieser durchaus rechtens handele, denn es sei schließlich des Kaisers Wille, dem es um das Wohl des Reiches ginge, was Kirchenmänner wohl schwerlich begreifen würden. Konrad fühlte sich dadurch bestärkt und forderte nun, nein, er sprach sein Urteil gegen Graf Heinrich von Sayn, er würde ihn der Ketzerei für schuldig befinden und zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilen. Tumulte brachen aus. Heinrichs Ritter hatten bereits die Hand an die Waffen gelegt und viele rechneten schon mit offenen Kampfhandlungen, als sich der Erzbischof von Trier an König Heinrich wandte und leise auf ihn einredete. Niemand weiß, was er genau zum König gesagt hatte, jedoch erhob dieser sich darauf und sprach, dass die Schuld des Angeklagten nicht erwiesen sei und er aus diesem Grunde zu einem Königstag laden würde, um den Fall dort neu aufzurollen und nach geltendem Recht zu entscheiden.
Doch mutig sagte darauf Graf Heinrich: »Hoheit, ich danke Euch für Euren Großmut, doch lehne ich den Königstag ab. Aber ich fordere dagegen, die Angelegenheit unmittelbar dem Heiligen Vater in Rom, Papst Gregor, zur Entscheidung vorzulegen. Der Heilige Vater allein soll in Gottes Namen über mich richten.«
Beifall brandete auf. Graf Heinrich hatte den gesamten Dom auf seine Seite geschafft. Angesichts dieser beinahe tumultartigen Szenen, die sich nun abspielten, lenkte König Heinrich ein und erklärte, eine Gesandtschaft zum Heiligen Vater nach Rom zu entsenden, um den Fall dort vorzutragen. Der Trierer Erzbischof schloss darauf die Verhandlung mit den Worten: »Der Graf von Sayn geht von hier als rechtgläubiger Mann und keiner Schuld überführet.«
Soweit mein Bericht, Herr, wie er sich auch wohl in den Protokollen der offiziellen Scriptori finden wird. Nun hatte ich Gelegenheit, nicht nur den Prozess zu verfolgen, sondern auch Geschehnisse zu beobachten, die Anderen in der Aufregung verborgen blieben. So bemerkte niemand das Auftauchen eines einzelnen Tempelritters, der sich während der Verhandlung stets im Hintergrund hielt, sich aber unmittelbar nach dem Ende des Synodalgerichts zu Heinrich und seinen Rittern gesellte.
Während eine Abordnung auf dem Wege zum Sommersitz Papst Gregors IX. in Anangni war, überschlugen sich hier leider die Ereignisse. Trotz aller Warnungen hetzte Konrad weiter die Massen auf, predigte mit seinen Helfershelfern Tors und Johannes, dem Verkrüppelten, mit den Worten: »Es sei besser, dass von hundert Angezeigten 99 unschuldig sterben, wenn dabei nur ein einziger Ketzer getroffen werde.« So rief er denn auch sogar zum Kreuzzug gegen Sayn auf, wollte die Stammburg Heinrichs, die Löwenburg bei Bonn, in Flammen aufgehen lassen.
Das zwang seinerseits Graf Heinrich zum Handeln, denn es drohte ein Heer religiöser Fanatiker und wilder Abenteurer mit Aussicht auf leichte Beute gegen Sayn zu ziehen und mit Feuer und Schwert in die Grafschaft einzufallen. Was dann geschah, kann ich selbst bezeugen, da ich mich an den Sayn’schen Hof begeben hatte, um mich selbst davon zu überzeugen, ob der Graf ein Ketzer war oder nicht. Ich greife meinem Ergebnis nicht voraus, wenn ich feststelle, dass Graf Heinrich ohne Fehl und Tadel war. Er mochte zwar lange Zeit den Umgang mit Ketzern gepflegt haben, aber durch seine Handlungen hat er das Gegenteil bewiesen. So hat er doch viele Klöster, Stifte und auch Komtureien für den Deutschen Orden gestiftet, um so seine einstige Schuld zu sühnen.
Angesichts der Kriegsgefahr rief Graf Heinrich seine Vasallen zu sich, unter denen sich auch die Ritter von Dernbach, Herborn und Schweinsberg befanden sowie jener mir bis dahin unbekannte Templer, der auch Heinrichs Ruf folgte. Man beschloss bei diesem Treffen, Truppen zu sammeln, um die Grafschaft zu schützen. Da ich aber bei der eigentlichen Besprechung nicht zugegen sein durfte, kann ich nur vermuten, was noch geschah.
Denn zwei Tage später, am 30. Juli a.d. 1233, wurde der Inquisitor und päpstliche Legat Konrad von Marburg auf seiner Heimfahrt am Löhneberg, der sich im Sayn’schen Gebiet befindet, von Anhängern Heinrichs überfallen und erschlagen. Tags darauf erschien auf der Löwenburg wieder jener Templer, den ich bereits erwähnte. Es war der Tag, an dem ich seinen Namen erfahren sollte und mir klar wurde, dass er an dem Überfall auf Magister Konrad beteiligt war. Er überbrachte Graf Heinrich die Nachricht vom Tode des
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