Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
freundlich an. Matthias hatte sich bereits in den ersten Folianten vertieft, der sich mit dem Brief eines Sekretärs des Trierer Erzbischofs an den Hochmeister Hermann Salza befasste. Er nahm den dargereichten Becher und trank das Gemisch aus Wein und Wasser gierig in einem Zug.
»Hier steht etwas, das kann ich nicht entziffern.«
Bodo trat hinter ihn und schaute Matthias über die Schulter.
…so scheint es mir doch so zu sein, hochverehrter Bruder, dass sich jene, die sich zum Kreuzzug gegen das Ketzertum versammelt hatten, letzten Endes selbst zur Häresie haben hinreißen lassen, verblendet von jener, die vorgibt, die Erbin unseres Herrn zu sein, aber noch weniger wert ist als eine Prostituierte, in Verachtung der einen reinen, wahren Lehre. Von Satan geführt, verführt sie jene, die sich Fraternitas equitati Ioannis de Colonia nennen, da sie vorgibt, von seinem Blute zu sein, die Schrift zu hüten, das einzig wahre Evangelium.
Man muss jene im Auge behalten, ihre Bewegungsfreiheit eingrenzen und sie sich nicht noch weiter am Kelch der Macht laben lassen. Darum, Bruder, ist es wichtig, eine Bastion gegen die Ketzer zu errichten, damit sie nicht noch weiter vordringen, um mit ihrem giftigen Odem noch andere, gute Christen zu verführen. Es ist angezeigt achtsam zu sein und zur gegebenen Zeit Maßnahmen zu ergreifen, damit sich diese Pestilenz nicht weiter verbreitet…
»Wisst Ihr, was dieser Schreiber damit meint?«, tat der Bibliothekar arglos.
»Ich denke schon«, brummte Matthias und stellte fest, dass seine Kopfschmerzen tatsächlich verschwunden waren. Mit Erbin war bestimmt eine Nachfahrin aus der Rosenlinie gemeint, das war Matthias sofort klar, aber um was für eine Schrift ging es? Sollte hier etwa das verschollene Evangelium der Maria Magdalena gemeint sein, von dem einst Carmen sprach? Während er überlegte, fiel ihm ein Schriftzug am Rand des Blattes auf. Er zeigte auf die Randnotiz.
»Könnt Ihr das entziffern?«
Der Bibliothekar beugte sich noch tiefer vor. »Einen Moment!«, sagte er und ging zu einem Schrank mit Schubladen. Er kramte eine Lesehilfe hervor.
»Hiermit geht es besser!« Er platzierte das ovale Messinggestell mit dem Vergrößerungsglas in der Mitte über der Textstelle und konnte sie so besser entziffern.
»Da steht ecce engelberti! «
»Siehe Engelbert! Mehr nicht?«
»Nein!«
»Das muss ein Hinweis auf ein weiteres Dokument sein, das sich mit Engelbert von Cölln befasst«, stellte Matthias fest.
»Ich werde nachschauen, ob es so einen Hinweis in den Findbüchern gibt. Geht Ihr weiter die Fundstellen durch, Commissarius.«
Erregt nahm Matthias das nächste Konvolut, ein Aktenbündel, das die Aufschrift Heinrich III Sayn trug, und knotete die alte brüchige Lederschnur, die es umschloss, auf. Was mochte sich hinter dem dicken Deckel verbergen? Was würde er erfahren? Begierig las er den vor ihm liegenden, in Latein abgefassten Text:
Nun, da die unerhört wichtige Angelegenheit, den edlen Ritter Heinrich von Sayn betreffend, zu einem guten Ende gebracht werden konnte, was nur dank Eures weisen Ratschlusses und auch Gottes Hülf sowie der klugen Einsicht betreffender personae möglich war, will ich Euer Gnaden gemäß Eures ausdrücklichen Wunsches Zeugnis über die Umständ und Geschehniss hinsichtlich der gräulichen Vorgänge in den rheinischen Landen abgeben, die einst die Erzbischöfe von Mainz und Cölln bewogen, den Heiligen Vater um Entsendung eines privilegierten Legaten zu bitten, um den wahren Glauben sowie Recht und Ordnung wieder herzustellen. Die Entsendung einer solch rechtschaffenen Person war durchaus angezeigt, da sich besonders im Gebiet des Churfürstentums Cölln immer mehr Ketzer, Juden und andere, den katholischen Glauben verachtende Personae, ansiedelten, Überhand zu nehmen drohten und sogar durch die Churfürsten und Erzbischöfe von Cölln besonderen Schutz erhielten. Braven Christen stahlen sie dadurch das täglich Brot und auch die gerechte Schlafstatt, sogar das Dach über dem Kopf. Die rheinischen Lande drohten zum Reich der Verfemten, zum Reich des Bösen zu werden.
So ist es nicht absonderlich, wenn ich erwähne, dass der weise Ratschluss unseres Kaisers im Umgang mit den verruchten Ketzern ein Glücksfall für die Menschen allhie bedeutete. Doch will ich der Reihe nach berichten.
Der Legat und Inquisitor, Magister Konrad von Marburg, weilte schon geraume Zeit in den rheinischen Landen, war in der Hauptsache als Beichtvater der
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