Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
hatte er mit Anderen zusammen beim Heiligen Vater um die Entsendung eines Inquisitors nachgesucht. Doch die unerhörte, erbarmungslose und brutale Weise, wie er gegen Ketzer vorging und jetzt auch Heinrich von Sayn beschuldigte, ließen dem Mainzer Erzbischof keine andere Wahl. Während man auf eine Antwort aus Rom wartete, forderte Graf Heinrich von Sayn derweil die Einrichtung eines Sendgerichtes. Dieses sollte endlich Klarheit schaffen und dem Morden Magister Konrads und seiner Helfershelfer Einhalt gebieten.
So wurde denn am 25. Juli im Jahre 1233 nach der Fleischwerdung des Herrn im Dom zu Mainz jenes geforderte bischöfliche Sittengericht abgehalten.
Der 25. Juli anno domini 1233 war ein denkwürdiger Tag für Mainz und ein denkwürdiger Tag im ganzen Reich. Heinrich von Sayn hatte es tatsächlich geschafft, ein Synodalgericht einberufen zu lassen und hatte dabei die Pflicht und vor allem auch das Recht, sich von Beschuldigungen rein zu waschen. Wie es ein Sendgericht verlangte, musste er selbst auf die Bibel seine Unschuld beschwören und mindestens acht Eideshelfer, allesamt unbescholtene Männer, als Zeugen aufbieten. Waren seine Zeugen in der Mehrzahl gegenüber den Zeugen der Anklage, so musste nach geltendem Recht ein Freispruch erfolgen. Das Sendgericht gegen Heinrich fand, wie Ihr wisst, im mächtigen Dom zu Mainz statt. Schon Tage zuvor strömten Menschenmassen von allen Ständen aus allen Ecken des Reiches, besonders den Rheinlanden, in die wehrhafte Stadt, um diesem ungeheuren Ereignis beizuwohnen.
Erzbischof Siegfried führte den Vorsitz und hatte die gesamte Kirchenprovinz sowie die Erzbischöfe von Cölln und Trier dazu eingeladen. Auch König Heinrich VII. von Hohenstaufen erschien in Begleitung der Reichsfürsten und Vasallen zu diesem Prozess.
Es steht wohl außer Frage zu erwähnen, dass Graf Heinrich sich selbst verteidigte und seine Unschuld beschwor, wusste er doch seine gesamte Ritterschaft hinter sich, die als Eideshelfer für ihn auftrat. Erzbischof Siegfried bat jetzt Magister Konrad in seiner Eigenschaft als Ketzerrichter, seine Zeugen aufzurufen. Doch was dann geschah, kann ich im Nachhinein betrachtet nur als ein intrigantes Possenspiel bezeichnen. Der Inquisitor und päpstliche Legat erklärte gegenüber dem Mainzer Erzbischof, dass seine Zeugen aus Angst vor der Rache von Heinrichs Mannen nicht aussagen würden. Dann erklärte er nochmals, dass seine Beschuldigungen rechtens seien und Graf Heinrich so ungeheuerliche ketzerische Dinge gesagt und getan habe, dass er sie sich vor dem hohen Gericht nicht auszusprechen getrauen würde, denn sie seien letztendlich eine Beleidigung Gottes. Außer sich vor Zorn wollte Heinrich auf den Inquisitor losgehen. Aber Erzbischof Siegfried konnte den Grafen davon abhalten und ermahnte Magister Konrad, derartige ungeheuerliche Behauptungen zu unterlassen, wenn er sie nicht durch Zeugenaussagen beweisen könne. Diese Maßregelung trieb Magister Konrad die Zornesröte ins Gesicht und er sagte: »Exzellenz, hohes Gericht, wir sehen uns einer stetig ansteigenden Flut der Häresie gegenüber, der ich als päpstlicher Legat und Inquisitor kaum noch in der Lage bin Herr zu werden. Es bleibt mir daher gar nichts anderes übrig als Ketzerprozesse kurz und pragmatisch zu führen. Dies erfordert rasche Entscheidungen, wozu mir auch der Heilige Vater höchstselbst die Vollmacht erteilt hat.« In seinem Zorn steigerte sich nun Magister Konrad und führte weiter aus: »Auch seine allerkatholischste Majestät der Kaiser fordert ein hartes und vor allem rasches Vorgehen gegen diese Ketzerbrut. Durch Eure Einwände wird offensichtlich, dass durch diese Ketzer selbst die stärksten Pfeiler der staatlichen und geistlichen Ordnung zernagt würden. Die Fundamente aller menschlichen Ordnung auf Erden drohen hierdurch einzustürzen!«
Diese Worte waren wie eine Beleidigung für Erzbischof Siegfried und er hielt Magister Konrad entgegen, dass er immer mehr ein Instrument des Kaisers würde, so wie er die Inquisition betreibe. Er hätte offensichtlich übersehen, dass Kaiser Friedrich hierin ein wirksames Mittel für die Verwirklichung seiner Pläne sähe. Schließlich würde er sich nicht nur der beträchtlichen Güter der Verurteilten bemächtigen, sondern es sei wohl ein offenes Geheimnis, wie der Kaiser tatsächlich zur heiligen Mutter Kirche stehe. Diese Aussage wirkte wie ein Donnerhall und plötzlich herrschte eine unheimliche Stille im großen Rund des Domes.
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