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Das Geheimnis der Salzschwestern

Das Geheimnis der Salzschwestern

Titel: Das Geheimnis der Salzschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Baker
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verschrieben hatte. Und von jenem Augenblick an bis zu diesem Moment hatte sie jede einzelne Handlung dieser neuen Rolle angepasst. Und darüber war sie jetzt froh, denn das machte es sehr viel leichter, hier über den dahingesunkenen Körpern ihres Mannes und seiner Geliebten zu stehen, von denen sie die eine am liebsten umbringen würde und den anderen vielleicht schon umgebracht hatte.
    Sie hockte sich hin und legte Whit die Finger an den Hals. Erleichtert stellte sie fest, dass sie seinen Puls spüren konnte, und wandte ihre Aufmerksamkeit dann Dee zu, die sich noch immer nicht regte. Ihre Augen waren blutunterlaufen, und ihre Lippe war so dick und angeschwollen wie eine pralle Pflaume. Claire machte einen Schritt über Whit hinweg und kniete sich neben Dee.
    Die junge Frau sah zu Claire auf, die Nase voller Rotz, der Blick verwirrt wie der eines Kindes. »Tut mir leid«, sagte sie. »Ich weiß gar nicht, was ich jetzt machen soll.« Sie war ja auch noch ein Kind, dachte Claire. »Ich kann nicht nach Hause gehen«, schluchzte Dee. »Nicht jetzt.«
    Claire seufzte. Darüber, nicht mehr nach Hause zurückkehren zu können, wusste sie alles, und ehrlich gesagt hatte sie von der ganzen Geschichte die Nase voll. In der Dunkelheit stampfte Icicle mit dem Huf auf und schnaubte, als wollte er ihre Aufmerksamkeit erlangen.
    »Bleib hier«, flüsterte Claire und stützte Dee an der Stallwand ab. »Nicht bewegen«, fügte sie hinzu. Sie führte Icicle aus seiner Box. Dann holte sie eine Decke, Sattel und Zaumzeug, schob ihm das Gebissstück ins Maul und schnallte den Sattel fest.
    »Steck deinen Fuß hier rein«, forderte sie Dee auf und schob ihre Zehen in den Steigbügel. »Jetzt lehn dich gegen mich und heb das Bein hoch.« Dee sah sie mit großen Augen an, tat aber wie geheißen, und dann schwang sich auch Claire auf Icicles Rücken.
    »Halt dich fest«, befahl Claire und lenkte das Pferd aus der Scheune. Sie ritten Plover Hill hinunter und wurden immer schneller, nachdem sie erst einmal den Fuß des Hügels erreicht hatten. Es war schon viel später, als Claire gedacht hatte. Bald würde die Sonne aufgehen. Der Himmel sah bereits so diesig und unentschlossen aus wie immer, bevor der Morgen endlich ganz anbrach.
    Sie grub Icicle die Fersen in die Flanken, und er verfiel in leichten Galopp. Sie spürte, wie Dee sich mit den Schenkeln festklammerte, um nicht herunterzufallen. Das Mädchen fragte nicht, wohin es ging, und Claire verriet es ihm auch nicht. Sie wusste aber, dass die Salzbecken auf sie warten und in der Dämmerung leuchten würden wie der dichte Spitzenschleier, hinter dem sie ihr Gesicht am Tag ihrer Hochzeit verborgen hatte. Seitdem war sie darin gefangen, in Armut wie in Reichtum, in guten wie in schlechten Zeiten, Whits Eigentum, bis der Tod sie scheiden würde, und bitte, lieber Gott, betete sie, als sie durch die letzte Dunkelheit rauschte, lass mich von uns beiden nicht als Erste gehen.

K APITEL 15
    E s war das erstickte Rufen einer der verfluchten wilden Katzen in der Marsch, das Jo aufweckte, was sie zum Aufstehen bewegte, war jedoch das Klappern von Pferdehufen auf Lehmboden. Der Morgen war kaum angebrochen, aber die Frühlingsmöwen flatterten bereits wild und rasch durch die Lüfte. Über Nacht hatte der Wind gedreht, und wenn er das tat, hatten die Vögel immer als Erste etwas dazu zu sagen, das wusste Jo.
    Sie konnte nicht behaupten, überrascht gewesen zu sein, als plötzlich ein einzelnes weißes Pferd in der Marsch auftauchte. Sie war daran gewöhnt, dass Claire bei Tagesanbruch hierher ausritt. Vor etwa sechs Jahren hatte ihre Schwester angefangen, regelmäßig die Gräber zu besuchen. Jo wusste von ihren Besuchen und den kleinen Salzhäufchen, die sie manchmal auf Henrys Grab zurückließ, so wie ihre Mutter es ihnen beigebracht hatte. Jo passte das gar nicht, aber sie glaubte kaum, Claire irgendwie davon abhalten zu können. Manche Dinge lagen nicht in der Hand der Menschen.
    Aber dieses Mal zügelte Claire ihren Schimmel nicht am Rande der Marsch, wie sie es sonst immer tat, und auf dem Pferderücken war auch nicht nur eine einzige Silhouette zu erkennen – sondern zwei. Es stimmte schon, noch war das Licht diesig und schwach, und das Glas des Fensters war alt und trüb, aber Jo zweifelte nicht an dem, was sie da gesehen hatte. Sie schaute zu, wie das Pferd langsamer wurde, sich dem Haus näherte, und eine nach der anderen zwei Frauen abstiegen. Sie fassten einander um die Hüfte, was

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