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Das Geheimnis der Salzschwestern

Das Geheimnis der Salzschwestern

Titel: Das Geheimnis der Salzschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Baker
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wie eine liebevolle Geste wirkte, Jo wusste aber, dass das gar nicht sein konnte, weil Claire nämlich niemanden liebte außer sich selbst.
    Jo trat vom Fenster weg und hielt den Atem an. Sie hoffte, die Vision von Claire würde von allein wieder verschwinden, ihre Schwester kam jedoch immer näher. Jo hörte, wie unsichere Schritte die Verandastufen hinaufpolterten, und seufzte. Wenn Ärger meist in der Gestalt eines Fremden kam, wie Mama oft gesagt hatte, dann war das plötzliche Auftauchen eines lang vermissten geliebten Menschen noch viel schlimmer. Wahres Unheil gehörte zu ihnen wie die Streifen zu einem Stinktier.
    Claires Faust trommelte gegen die Tür, und Jo zog in Betracht, sich vielleicht einfach zu verstecken. Sie warf einen Blick auf den Schrank in der Ecke des Raumes, fasste den Schlupfwinkel unten zwischen der Standuhr und dem Sofa ins Auge, aber Claire war wie das verdammte Wetter. Wegrennen konnte man vor ihr nicht, sie ändern auch nicht, und es wäre einfach nur dumm zu versuchen, ihr aus dem Weg zu gehen. Bei Claire machte man am besten die Schotten dicht und dann Augen zu und durch. Jo hörte draußen ein scharrendes Geräusch und dann einen dumpfen Schlag.
    »Verdammt noch mal, Joanna!«, rief Claire. Nach zwölf Jahren war ihre Stimme schärfer, als Jo sie in Erinnerung hatte. »Ich weiß, dass du da auf der Treppe stehst. Ich kann dich sehen. Komm jetzt runter und hilf mir!«
    Jo atmete tief durch, füllte sich mit Luft wie ein Segel und stieg dann in der Hoffnung die Stufen hinunter, dass sie die Situation einigermaßen unter Kontrolle hatte. Sie war jedoch überhaupt nicht auf das gefasst, was sie draußen erwartete. Denn dort beugte sich Claire über eine bewusstlose Dee Pitman.
    Jo legte den Kopf zur Seite. Auf der Treppe war es dunkel, und ihr blieb ja nur ein Auge, aber Claire sah für sie ganz und gar nicht wie jemand aus, der beschlossen hatte, seine Wurzeln zu kappen und frei durchs Leben zu gehen. Sie trug einen Dufflecoat über einem weißen Baumwollnachthemd und Gummistiefel. Mit dem losen Zopf, der ihr auf den Rücken baumelte, sah sie mit einem Mal wieder aus wie mit achtzehn.
    »Hilf mir«, bat sie, und Jo humpelte näher heran. Sie bereute jetzt schon, in die Sache mit hineingezogen zu werden, aber was sollte sie sonst tun? Wenn einem das Leben einen Haufen Mist vor der Tür ablud, dann holte man wohl am besten den Mopp und fing damit an aufzuwischen.
    »Lass mich mal«, sagte sie, kniete sich hin, schob ihren guten Arm unter Dees Nacken und löste ihr Halstuch ein wenig. Dann blies sie der Kleinen über die Wangen, bis ihre Lider endlich flatterten. Sie ließ das Mädchen zu Boden sinken und machte einen Schritt zurück, bevor es wieder völlig zu sich kam. Jo wusste nicht, warum Dee hier war, aber das war auch nicht ihr Problem. Sollte Claire sich doch darum kümmern.
    »Scheiße«, stöhnte Dee. »Verdammte Scheiße.« Herzallerliebst, dachte Jo. Dee stützte sich auf dem Ellbogen auf und sah sie verständnislos an. »Wo bin ich?«
    Jetzt trat Claire einen Schritt heran, und ihr Nachthemd bauschte sich unter dem Mantel. »Meine Schwester bringt dir Wasser, wenn du möchtest.«
    Na perfekt, dachte Jo. Kaum war Claire fünf Minuten hier, gab sie auch schon wieder Befehle.
    Dee sog die Luft ein und riss vor Entsetzen die Augen auf. »Sie haben mich zur Salt Creek Farm gebracht?«
    Claire seufzte. »Ich wusste nicht, was ich sonst mit dir machen sollte. Du hast schließlich gesagt, dass du nicht mehr nach Hause kannst. Dein Vater hat dich doch rausgeworfen, oder nicht?«
    Dee rollte sich für einen Moment auf die Seite, dann schob sie sich auf alle viere wie eine Katze. Sie ließ sich auf die Knie sinken und blinzelte. »Und da haben Sie mich ausgerechnet hierher gebracht?«
    Claire schniefte. »In die Marsch oder woanders hin – was macht das schon? Und in der Not frisst der Teufel eben Fliegen.«
    Jetzt unterbrach sie Jo: »Aber was willst du hier, Claire?« Wenn sich das hier schon zum Fragespiel auswuchs, dann sollte Dee nicht die einzige Kandidatin bleiben. Claire kaute nur auf einer Haarsträhne herum und äußerte sich nicht dazu, also wandte Jo sich an Dee. Sie bemerkte, wie trotzig die Kleine dreinblickte, und so, wie sie den Mund zusammenpresste, war Jo klar, dass sie mehr harte Zeiten durchgemacht haben musste, als ihre Jugend vermuten ließ. »Wie alt bist du überhaupt?«, fragte Jo. Hatte Dees Vater ihr nicht erzählt, dass Dee noch so ein junger Hüpfer

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