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Das Geheimnis der Salzschwestern

Das Geheimnis der Salzschwestern

Titel: Das Geheimnis der Salzschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Baker
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statt einem hinaus – mit einem Mädchen als Gegengewicht zu ihrem verwunschenen Jungen –, und Ida brach mit der Erinnerung an den letzten Blick auf, den je jemand auf das Antlitz der Jungfrau geworfen hatte. Damals hatte sie ja noch keine Ahnung, wie dieses Bild sie ihr Lebtag verfolgen würde.
    »Hier, bitte.«
    Jo fuhr herum. Ethan war wieder da mit Pater Flynns Adresse. Er hielt das Papier einen Moment fest, bevor er es ihr endlich reichte. Vermutlich hätte er es ihr gar nicht gegeben, wenn er gewusst hätte, wofür sie es brauchte, dachte Jo. Priester deckten sich doch sicher gegenseitig, oder? Andererseits würde diese Enthüllung ihm vielleicht etwas Seelenfrieden schenken, wenn er sah, dass er nicht der einzige Mann in Prospect war, der im großen Stil gesündigt hatte. Und er würde zweifellos auch nicht der letzte sein.
    »Danke«, murmelte Jo und steckte den Zettel in die Tasche. Sie starrte Ethan in die gequälten Augen und war versucht, ihm zu verraten, wie wichtig er Claire noch immer war, aber das war nicht ihre Aufgabe. Sie war nicht der Schutzengel ihrer Schwester, ob sie sich nun so fühlte oder nicht. Das war zwar hart, aber irgendwann würde sie sich schon daran gewöhnen, und vielleicht, ganz vielleicht wäre es bei Claire eines Tages genauso. Jo warf Unserer Lieben Frau noch einen letzten unbehaglichen Blick zu und trat dann wieder hinaus ins Tageslicht. Sie wusste, dass das Stück Papier in ihrer Tasche ihrer Geschichte einen Anfang oder ein Ende hinzufügen konnte, vielleicht aber auch keins von beidem. Das Schicksal stand nicht immer so klar und deutlich geschrieben, und selbst wenn, wer sagte denn, dass seine Worte unveränderlich waren?

K APITEL 25
    D ee kehrte Mitte Juli mit Jordy auf die Salt Creek Farm zurück, und als Willkommensgruß für den neuen König der Marsch, den wertvollen kleinen Jungen, läutete Claire ein nie dagewesenes kulinarisches Feuerwerk ein. Jeden Morgen stand sie bereits vor Sonnenaufgang in der Küche und zauberte Marmorkuchen, Scones mit Rosinen und Anis und zarten Blätterteig, den sie mit einer Mischung aus Honig, Salz und einer geheimen Kräutermischung aufrollte. Sie aromatisierte Auflaufförmchen voll englischer Creme mit Rosenwasser und Orange und stellte ein zugleich süßes und salziges Erdnusskrokant her, das ihre Geschmacksnerven in Verzückung versetzte.
    Es war so eine Freude, ein Baby im Haus zu haben, und Claires Körper schien das widerzuspiegeln. Ihre Kleider wurden an genau den richtigen Stellen immer enger, betonten Hüften und Brüste, ihr Schritt hatte einen ganz neuen Schwung, und ihr neuerdings befreites Haar lockte sich in hübschen Wellen und Ringeln. Sie verbrachte so viel Zeit am dampfenden Ofen und Herd, dass ihre Haut den öligen Geruch von Vanille, Karamell und brauner Butter annahm. Sie tauchte die Finger in so viel Schokolade und Kakaopulver, dass sie braun wurden wie rauchiger Espresso.
    »Die schönste Maniküre der Natur«, verkündete sie lachend und wedelte Dee mit ihren Nägeln vor der Nase herum, die schien das jedoch gar nicht zu bemerken. In letzter Zeit war sie so schlaff wie alter Salat. Vielleicht lag es daran, wie anstrengend es war, ein Neugeborenes zu versorgen, oder vielleicht war es ja auch hormonell. Die Schwestern hatten sie schon davor gewarnt, man nannte das den »Babyblues«. Aber bei Dee wurde die übliche düstere Stimmung immer finsterer. Claire schlug die Eier in der Schüssel noch stärker und gab dann Mehl dazu.
    »Was meinst du?«, fragte sie mit einem Blick nach hinten, um sicherzugehen, dass Dee überhaupt noch im Raum war. Manchmal schlich sie sich davon, bevor Claire es überhaupt bemerkte, ging nach oben in ihr Zimmer und schlief stundenlang. Sollten doch Claire und Jo um Jordy herumscharwenzeln, ihn umziehen, wickeln und ihm das Fläschchen warm machen wie bei einem Wettkampf der Glucken. »Nelkenkuchen oder Zitronen-Limetten-Biskuit? Ich könnte auch beides machen.«
    Jordy lag in einer riesigen, mit einer Decke ausgekleideten Salzschüssel, die auf dem Tisch stand. Dee war zunächst entsetzt gewesen, hatte sich aber schnell wieder beruhigt, nachdem sie gesehen hatte, wie perfekt das Baby in die Rundung der Schale passte.
    »Das ist die Wiege aller Gillys«, hatte Claire ihr versichert. »Meine Mutter hat früher immer gesagt, dass wir daher unser Rückgrat haben.«
    Jetzt blickte Claire zu Jordy hinüber und konnte kaum fassen, wie sehr er sich in den sechs kurzen Wochen verändert hatte –

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