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Das Geheimnis der Salzschwestern

Das Geheimnis der Salzschwestern

Titel: Das Geheimnis der Salzschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Baker
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seine Augen waren haselnussbraun geworden, sein Haar war schon viel dichter, und er hatte gelernt, an seiner Faust zu lutschen. Als ob er ihren Blick bemerkt hätte, wachte er plötzlich auf, fing aber nicht an zu weinen. Claire schaute zu Dee hinüber, um zu sehen, ob sie ihn wohl hochnehmen würde. Als sie das nicht tat, klopfte Claire mit dem hölzernen Löffel an ihre Rührschüssel, um Dee aus ihrem Tran zu reißen.
    Zitronen-Limetten-Biskuit, beschloss Claire und griff nach dem Zestenreißer. Sie tröpfelte etwas Zitronensaft in den Teig und warf die zerquetschten Hälften dann in den Müll. Das Problem mit dem Glück besteht darin, dass es ein so zartes Netz ist, dachte sie. In letzter Zeit wagte sie nicht, es auf die Probe zu stellen, weil sie fürchtete, es würde unter ihrem Gewicht zerreißen und ihren ganzen Fang zerstreuen, so dass ihr dann nichts mehr bliebe. Vielleicht hatte Jo versucht, ihr an ihrem Hochzeitstag genau das zu sagen, als sie diese schrecklichen Haken auf das Gewand von Unserer Lieben Frau gemalt hatte – dass man manchmal grausam sein musste, um seine eigene Seele zu nähren. Claire dachte an den Tag, als sie mit Whit zusammen am Strand den Fisch wieder ins Wasser gesetzt hatte. Vielleicht hatte sie doch einen Fehler gemacht, als sie ihn davonschwimmen ließ. Das war ihr jetzt klar.
    Jordy stieß ein Quäken aus, und Claire zuckte zusammen, Dee faltete jedoch ein Tuch auseinander und legte ihn sich an die Schulter. Claire hielt ihn so gern im Arm, sein Gewicht war für sie tröstlich wie das eines Mehlsacks. Wenn sie die Gelegenheit dazu hatte, schnupperte sie an ihm wie an einem ihrer Kuchen und wünschte sich, sie könnte Glasur auf seinem Bäuchlein verteilen und sie wieder ablecken. Sie hätte nur ungern zugegeben, dass es sich für sie manchmal so anfühlte, als wäre er beinahe ihr Sohn – als hätte er es sogar sein sollen.
    Nach dem Kaiserschnitt waren die Ärzte minutenlang nicht sicher gewesen, ob Dee durchkommen würde. Sie verlor Blut, der Puls war beinahe unter die beim Menschen möglichen Werte gefallen, und eine Krankenschwester hatte schon den Reanimationswagen vorbereitet. Es war für Claire ein furchtbarer Moment gewesen, aber nicht so sehr wegen des Dramas, das sich da vor ihr abgespielt hatte. Im Gegenteil, es war so schrecklich gewesen, weil Claire vor einem moralischen Dilemma gestanden hatte: Für wen würde sie beten? Das Baby oder Dee? Mutter oder Kind? Neues oder altes Leben?
    Sie wählte das Kind.
    Nachdem Dee sich später wieder erholt und die Maschinen zu piepen aufgehört hatten, nachdem die Krankenschwestern einige der Schläuche aus ihrer Nase und ihren Armen entfernt hatten, fragte sich Claire, warum sie nicht einfach ein Stoßgebet für beide zum Himmel geschickt hatte. Arbeitete das menschliche Gehirn vielleicht in Notfallsituationen so, fragte sie sich. War es so, dass einige Blutgefäße und Nerven einfach nicht bedient wurden sowie jegliche Ablenkungen ausgeblendet, damit man unmögliche Entscheidungen treffen konnte? Oder war dieses zu enge Lieben nur auf ihr eigenes, hart gewordenes Herz beschränkt?
    »Also, wissen Sie, das können wir doch nie alles aufessen.« Die Eintönigkeit von Dees Stimme verlieh manchmal sogar den banalsten Aussagen eine gewisse Tiefe. Claire machte das wahnsinnig. Jetzt musste sie allerdings zugeben, dass Dee nicht unrecht hatte. Sie hatten ja noch nicht einmal den Gugelhupf von gestern angeschnitten, und jetzt kam Claire schon wieder mit ihrem Limetten-Biskuit. Auf der Arbeitsplatte lungerten in der Ecke neben dem Krug mit den Holzlöffeln noch mit Frischhaltefolie abgedeckte Krapfen herum, und der Kühlschrank beherbergte einen eine Woche alten Kokos-Vanille-Pudding. Claire seufzte und starrte auf die Schüssel in ihren Händen.
    »Na ja, jetzt hab ich den Teig schon angerührt, also kann ich ihn auch genauso gut backen.«
    Dee sah nach Jordys Windel, zupfte dann, zufrieden mit dem Ergebnis, seine Kleidung zurecht und legte ihn sich wieder an die Schulter. Sie tätschelte ihm ein wenig härter den Rücken, als Claire das getan hätte, die biss sich aber auf die Innenseite der Backe und sagte nichts.
    »Warum verkaufen Sie das ganze Zeug nicht?«, fragte Dee.
    Claire sah auf. »Was?«
    »Auf dem Bauernmarkt in Wellfleet am Sonntag.«
    Es war einfach unfassbar. Dieses Mädchen war dumm wie Bohnenstroh, aber von Zeit zu Zeit flackerte da doch wirklich eine gewisse Intelligenz auf. Claire hielt das für gar keine

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