Das Geheimnis der Salzschwestern
schlechte Idee. Immerhin verkaufte sich das Salz mit den Aromazusätzen, das sie in Hyannis eingeführt hatte, ziemlich gut. Vielleicht wäre es mit ihren Backwaren ja genauso. Die klägliche Summe, die sie noch auf ihrem Bankkonto gehabt hatte, war fast verbraucht, und es hingen noch immer dunkle Schuldenwolken über dem Gut. Vielleicht konnten ihre süßen Sachen dazu beitragen, diese Wolken zu vertreiben.
Dees Stimme holte sie in die Küche zurück. »Ich würde auch mitkommen. Also, Jordan und ich. Damit Sie ein Paar Extrahände zum Mitanpacken haben. Vier Extrahände, um genau zu sein.« Jordy ließ wieder ein Quäken vernehmen.
Claire sah sie nachdenklich an. Sie musste daran denken, wie furchtbar Dee als Kellnerin gewesen war. Halbwegs höflich zwar, aber immer schlechtgelaunt und schlampig, was die Bestellungen anging. Sie hatte sich einfach nie merken können, wie die Kunden ihren Kaffee gern tranken und was für Eier sie bestellten, oder ob sie zu ihren Pfannkuchen lieber Sirup oder Honig wollten. Zumindest schien sie sich nicht daran zu erinnern. Plötzlich wurde ihr nämlich klar, dass Dee sich bei ihren Bestellungen nie vertan hatte.
Sie kehrte zu dem momentanen Problem zurück. Es würde Dee guttun, mal aus dem Haus und ein wenig unter Leute zu kommen. Das wäre gut für sie beide. »Warum nicht«, nickte Claire also.
Wer weiß, dachte sie. Vielleicht steckte in Dee ja doch eine Geschäftsfrau. Denn bei Whit hatte sie sich ganz offensichtlich problemlos an den Mann gebracht. Also war der kleine Flirt mit der Außenwelt womöglich gar keine schlechte Idee, bestenfalls sogar genau das, was sie gerade brauchten.
Am Samstagmorgen hatte Dee es sich dann aber anders überlegt. »Mir geht’s nicht so gut«, erklärte sie und presste eine Hand gegen die Schläfe. »Das Baby hat die ganze Nacht gequengelt, und ich hab schreckliche Kopfschmerzen. Ich bleibe lieber hier und lege mich ein bisschen mit ihm hin.«
Claire versuchte, sich ihre Erleichterung nicht anmerken zu lassen. In der Küche herumzuwirbeln und etwas zu backen, während Dee am Tisch vor sich hindöste, war ja ganz in Ordnung, stundenlang in der Hitze mit ihr einen Stand zu teilen, jedoch keine sehr reizvolle Idee. Claire beugte sich zu Jordy hinunter, gab ihm einen Kuss und legte ihm die Hand auf den warmen Kopf.
»Sei schön brav«, flüsterte sie und machte sich dann auf die Suche nach Jo, die Salz an einige Restaurants liefern musste und noch andere Erledigungen zu machen hatte. »Sollen wir dir was mitbringen?«, fragte Claire, Dee schüttelte aber nur den Kopf.
Ein paar Stunden später hatte sie an ihrem Stand alles verkauft.
»Wenn ich könnte, würde ich mein Lebtag nichts anderes mehr essen«, schwärmte die Kundin, die gerade Claires letzten Bananenmuffin vertilgte. »Was tun Sie da bloß rein?«
Claire zuckte mit den Achseln. »Seesalz, Vanille und meine kleine Geheimzutat.«
»Das ist wirklich himmlisch. Sie sollten ein eigenes Lokal aufmachen oder so.«
Claire wollte gerade protestieren, hielt dann aber doch den Mund. Ein eigener Laden – gar keine schlechte Idee. Wann hatte denn eigentlich das letzte Mal etwas wirklich ihr gehört? Sie lebte im Haus ihrer Schwester, und zwar zusammen mit der Geliebten ihres Mannes und deren Sohn, und arbeitete auf den Salzfeldern ihrer Familie. Selbst Icicle, ihr Ein und Alles, war ein Geschenk von Whit gewesen. Claire sah die Frau an, die sich die Krümel von den Fingern leckte wie eine ausgehungerte Katze. Sie trug geschmackvollen braunen Lippenstift und riesige Diamantohrringe. Ihre Caprihosen waren gestärkt, die Bluse sauber, und sie hatte französische Espadrilles an den Füßen. Früher hatte Claire sich mal genauso angezogen. »Vielleicht eines Tages«, murmelte sie jetzt.
»Na, dann stecken Sie doch bitte meine Karte ein.« Die Frau suchte in ihrer Handtasche danach. »Und geben Sie mir Bescheid. Diese Muffins sind einfach göttlich.« Claire griff nach der Karte und sah dann auf ihre Uhr. Sie hatte noch vierzig Minuten Zeit, bevor Jo sie abholen würde. Auf der anderen Seite des Ganges bot ein Verkäufer so reife Pfirsiche an, dass sie beinahe tränten. Obstpasteten, dachte sie. Und Pfirsich-Paprika-Marmelade. Sie hatte sich schon auf dem Weg zu dem Stand gemacht, als ihr plötzlich klar wurde, dass Ethan dort unter der Markise stand. Im Schatten hatte sie ihn nicht wiedererkannt, und außerdem hatten sie sich auch nicht mehr gesehen, seit sie ihn halbnackt im Sand
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