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Das Geheimnis der Salzschwestern

Das Geheimnis der Salzschwestern

Titel: Das Geheimnis der Salzschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Baker
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aus seiner vorgebeugten Haltung am Altar auf und blickte sie mit so verzerrtem Gesicht an, dass Jo ihn kaum wiedererkannte. »Oh, du bist es nur, Jo. Was in aller Welt machst du denn hier?«
    »Hast du die Adresse von Pater Flynn?« Jo war jetzt nicht in der Stimmung für Small Talk.
    Ethan runzelte noch stärker die Stirn. »Irgendwo sicher, die hat er mir dagelassen, falls ich noch Fragen habe. Warum?«
    »Weil ich nämlich ein paar Fragen habe.«
    Ethan rührte sich nicht. Er sah zum Fenster hinaus, als hätte er eigentlich jemand anderen erwartet und wäre enttäuscht, dort nur die leere Straße zu entdecken. Langsam stand er auf. »Vielleicht irgendetwas, das ich beantworten könnte?«
    Jo stemmte die Hände in die Hüften. Was würde Ethan Stone wohl denken, überlegte sie, wenn sie ihm den wahren Grund dafür verriet, warum sie Whit Turner nicht heiraten durfte? Wäre er schockiert? Oder würde er es dann bereuen, Claire verlassen zu haben? Jo seufzte. »Nur, damit du’s weißt, Claire ist im Krankenhaus. Dee hat letzte Nacht das Baby bekommen. Einen kleinen Jungen. Sie hat ihn Jordan genannt.«
    Bei Claires Namen bekam Ethan ganz rote Ohren, und er hustete, bis ihm Tränen in die Augen stiegen. »Dann fahre ich nachher wohl mal vorbei, um zu gratulieren.«
    »Wem? Claire oder Dee?«
    Ethan wurde rot. »Dee natürlich. Ich fürchte, Claire und ich haben … uns zerstritten.«
    Großer Gott im Himmel, dachte Jo, Claire, was hast du denn jetzt wieder angestellt? »Das tut mir leid«, sagte sie.
    Ethan schob die Hände in die Tasche und erklärte durch aufeinandergepresste Lippen: »Ich habe einen Antrag auf Versetzung gestellt. Das solltest du deiner Schwester vielleicht sagen.«
    »Verstehe.« Jo räusperte sich. »Und warum erzählst du ihr das nicht selbst?«
    Ethan ließ den Kopf hängen. »Das halte ich für keine gute Idee.«
    Oh Claire, dachte Jo, wann wirst es je lernen? Claires Herz würde schon wieder in tausend Stücke gebrochen werden, aber dieses Mal wäre sie selbst daran schuld. Jo drückte die Schultern durch. »Kannst du mir bitte einfach nur Pater Flynns Adresse holen?«
    Ethan blinzelte ein paarmal in ihre Richtung und zog die Augenbrauen wieder zusammen. »Natürlich. Gib mir einen Moment, dann suche ich eben danach.« Er verschwand und ließ Jo mit Unserer Lieben Frau allein.
    Lustlos wandte sich Jo zu ihr um. Die Farbe ihres Rockes war zu einem sanften Pastell verblasst, wie ihr nun auffiel, genauso wie die Farbe ihrer Haut. Die Hände waren kaum noch zu erkennen, abgesehen von dem Auge, das Jo auf ihre Handfläche gemalt hatte, und die Angelhaken wirkten viel unheimlicher, als sie in Erinnerung gehabt hatte, ihre Rundungen derb und grob. Widerwillig berührte sie das leere Antlitz der Jungfrau und wünschte, sie hätte etwas Salz – oder irgendetwas anderes –, das sie ihr als Gabe darbringen könnte. Aber das hätte ja auch nichts genützt. Der Lauf der Geschichte war nicht verändert worden, erst recht nicht von ihrer Mutter, dabei hatte sie es doch so sehr versucht.
    Mama hatte Jo die Geschichte erst kurz vor ihrem Tod erzählt. Während jenes furchtbaren Nordoststurms war sie nach der Geburt so früh, wie es ging, zur Kirche gekommen. Die Straßen waren zugefroren und die Häuser unter metertiefem Schnee begraben gewesen, und überall hatte der Wind Bäume entwurzelt. Die Kirche war damals leer, da Pater Flynn ebenso wie Jos Vater in der Stadt feststeckte. Jos Mutter war nach der Geburt erschöpft, dachte aber: Jetzt oder nie! Sie schob sich einen scharfen Meißel in die Jackentasche und machte sich auf den Weg.
    Jo stellte sich Mamas große Überraschung vor, als sie das Gotteshaus betrat und dort nicht nur Unsere Liebe Frau entdeckte, sondern zu den Füßen der Muttergottes auch noch eine weitaus weltlichere Madonna – Ida May Dunn –, die in knittrigen, schmutzigen Fetzen mit einem Neugeborenen im Arm zu den Füßen der Jungfrau dahingesunken war.
    Die beiden Frauen hatten sich zuerst nur entgeistert angestarrt, dann führte ihr gemeinsamer Wunsch nach Geheimhaltung dazu, dass sie einen Pakt schlossen. Jos Mutter war gekommen, um einen Fluch zu durchbrechen, und Ida, um einen loszuwerden. Und so wurde es dann gemacht. Mama meißelte das Gesicht der Jungfrau weg und hoffte, dadurch mit der Vergangenheit zu brechen und so irgendwie Henry zu retten, Ida half ihr dabei, und als sie fertig waren, verließ keine der Frauen die Kirche mit leeren Händen. Mama trat mit zwei Kindern

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