Das Geheimnis der Salzschwestern
ein paar Jahre auf dem Buckel hatte, musste es doch noch was wert sein. Sie würde Whit irgendwie allein erwischen und ihn fragen. Wenn du willst, bin ich so gut wie weg, würde sie sagen und sich mit dem Finger über den Hals fahren, um ihn an den Tag zu erinnern, an dem sie ihn in die Scheune hatte gehen sehen. Ich werde nie wieder einen Fuß in diese Stadt setzen. Stell mir einfach einen Scheck aus, und es wird auf der Salt Creek Farm eine Frau weniger geben, über die du dir Gedanken machen musst.
Von dem Kind ganz zu schweigen.
Das macht er bestimmt, dachte Dee. Im Vergleich zu lebenslangen Alimenten kam er mit einer einmaligen Zahlung für den Sohn, dessen er sich doch schämte, nämlich billig davon. Das war selbst einer Schulabbrecherin wie ihr klar.
Oder er würde sie vielleicht beide umbringen. Das konnte sie natürlich vorher nicht wissen. Whit ging zwar ganz schön ran und klopfte jede Menge Sprüche, er war aber kein Spieler. Er machte seinen Einsatz nur, wenn er genau wusste, dass er gewinnen würde – so war es erst bei Joanna, dann bei Claire und schließlich bei Dee gewesen. Wir waren schon alle an der Reihe, dachte sie. Ich bleibe bestimmt nicht hier und warte darauf, dass er sich irgendwann darauf besinnt, dass er Jordy haben will.
Auf Zehenspitzen trippelte sie zurück in ihr Zimmer. Das dunkle, stille Haus wurde nur vom Mondlicht erleuchtet, und in solchen Momenten fühlte sie sich von dem allgegenwärtigen Gerümpel geradezu umzingelt. Früher einmal hatte sie all dem Kram auf den Grund gehen wollen, inzwischen war er ihr aber egal. In den Schlafzimmern quollen die Schränke fast über, in der Küche gab es eine ganze Sammlung von verbeulten Dosen, und im Sekretär stapelte sich der Papierkram aus den letzten zehn Jahren, aber das alles hatte überhaupt nichts mit Dee zu tun.
Ohne bestimmten Grund schlenderte sie ins Wohnzimmer hinüber, öffnete ebendiesen Schreibtisch und starrte auf den Morast aus Papier. Wie immer hielten darin vorsintflutliche Kataloge ihre altmodischen Waren feil, vergessene Coupons wiesen auf Sonderangebote hin, und ein Brief von der Bank dankte Jo für die neuesten Zahlungen, erinnerte sie aber auch daran, dass damit noch nicht alle Probleme aus der Welt geschafft waren. Dee blickte mit zusammengekniffenen Augen auf die Zahlen und steckte das Schreiben dann ein. Vielleicht hatte Whit ja Interesse daran und würde dafür etwas springen lassen. Er schien die Salt Creek Farm ja um jeden Preis zu wollen, und wenn sie ihm dabei helfen konnte, würde sie das eben tun.
Sie wollte den Deckel des Sekretärs gerade wieder schließen, als ihr im schwachen Mondschein ein Zettel ins Auge sprang, auf dem ihr Name stand. Verwirrt griff sie danach und untersuchte das Papier. Es sah aus wie eine Nachricht von ihr an Whit, in der sie ihn darum bat, sich am Vorabend des 1. Dezember mit ihr in der Scheune zu treffen. Aber irgendetwas stimmte mit der Handschrift nicht, und sie würde auch nie so ein blödes Herzchen neben ihren Namen malen, jedenfalls nicht in einem Brief an Whit. Sie kniff die Augen zusammen und dachte scharf nach. Ganz offensichtlich führten Jo und Claire irgendetwas im Schilde, aber was bloß? Es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Sie würde die zwei bei ihrem eigenen Spielchen schlagen. Sie würde selbst zu dem Treffen mit Whit erscheinen.
Sie ließ den falschen Brief mit ihrem Namen liegen und ging in den Flur hinaus. Dort entdeckte sie auf dem Klavier eine rote Birne vom Baum in der Stadt. In diesem Jahr war es für Obst eigentlich schon zu spät, diese Birne war vielleicht die letzte ihrer Art für diese Saison. Und wenn jemand einem das letzte Stück anbot, das wusste Dee, dann sollte man immer zugreifen. Ich kann es schaffen, sagte sie sich und ging die Treppe hinauf. Und wenn alles so lief, wie sie sich das vorstellte, dann musste sie sich nie wieder mit dem letzten Rest zufriedengeben.
K APITEL 28
C laire hatte ganz vergessen, wie rasch auf der Salt Creek Farm die letzten Tage des Sommers vorbeizogen, wie schnell die Jahreszeit sich dem Ende zuneigte, so dass sie kaum hinterherkam. Der Verkauf von Idas Ringen hatte Jo und ihr eine Verschnaufpause verschafft, aber sie schuldeten der Bank natürlich noch viel mehr Geld. Claire wusste ganz genau, dass Whit das Gelände bei der Zwangsversteigerung erstehen würde, wenn sie nicht ganz schnell an noch mehr Bares kamen.
Tagein, tagaus luden Jo und sie das zu großen Haufen aufgetürmte Salz an den
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