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Das Geheimnis der Salzschwestern

Das Geheimnis der Salzschwestern

Titel: Das Geheimnis der Salzschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Baker
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sehr ungewohnt – aber konnte man sich überhaupt daran gewöhnen? Jo war für sie wie ein Spiegel, der ihr nur die schlechten Seiten von sich selbst zeigte. Sie hob die Hand an der Scheibe, als wollte sie zum Abschied winken. Doch Jo konnte sie gar nicht sehen, und selbst wenn hätte sie wohl kaum zurückgewunken. Claire ließ den Arm wieder sinken. Seit dem Brand hatten sie ja kaum ein Wort gewechselt. Deshalb würde sie jetzt auch nicht Lebewohl sagen.
    Claire löste sich von der Scheibe und griff nach ihrer kleinen Tasche. Sie wusste, dass Whit nicht lange auf sie warten würde, das Cabrio würde nicht ewig mit laufendem Motor an der Straße stehen. Wenn sie jetzt einfach auf dem Bett sitzen blieb, bis die Sonne tiefer am Himmel stand, würde sie ihn dort nicht mehr antreffen.
    Das ging ihr durch den Kopf, als sie die Vorhänge schloss, so dass Jo und die Marsch nicht mehr zu sehen waren, und das Licht löschte. Dann rannte sie los, lief zuerst die Treppe hinunter, dann über die Veranda, durch die Marsch, und schließlich die Straße entlang, so schnell sie konnte, und dann noch schneller, wie ein brennender Pfeil, der auf ein ungewisses Ziel zuhielt.
    Jo hatte dem Bildnis der Jungfrau neue Elemente hinzugefügt – diese furchtbaren Haken im Saum und das anklagend starrende Auge –, um es ihrer Schwester in ihrem neuen Leben schwer zu machen. Sie waren das Erste, was Claire unter ihrem dichten Schleier sah, als sie am Tag ihrer Hochzeit mit in Spitzenhandschuhen zitternden Fingern St. Agnes betrat. Sie verstand diese Nachricht auch ohne Worte. Jo legte das Gewicht ihres verlorenen Auges in Claires offene Hand, wo es schmerzte und stach wie die gemalten Haken. Claire erbleichte unter ihrem Schleier.
    Und dennoch. Selbst die Trauer um ihre Mutter (deren Tod zwar plötzlich, aber nicht völlig überraschend kam) konnte Claires neue Zufriedenheit kaum trüben. Gut, das Turnerhaus war von innen vielleicht ein wenig schäbiger als erwartet, und viele der Gegenstände dort waren abgenutzt oder hatten Löcher, aber die Möbel waren ganz offensichtlich einmal teuer gewesen, und für Claire waren sie das Extravaganteste, was sie je besessen hatte.
    Und der Name Turner war noch immer Gold wert. Claire machte die Bekanntschaft von Menschen, die eher Dreck gegessen hätten, als das Salz ihrer Familie zu kaufen. Darunter waren nicht nur Mädchen wie Agnes Greene, sondern auch Damen aus Boston und von den großen Anwesen in Connecticut. Whit zeigte ihr den Country Club, wo er noch immer Mitglied war. Sie fuhr mit dem alten, roten Cabrio seiner Familie durch die Gegend, parkte, wo es ihr passte, und wusste ganz genau, dass sie nie einen Strafzettel bekommen würde. Und als sie Mr Upton bat, von nun an doch bitte auch Kaviar zu führen, konnte er das Bestellformular gar nicht schnell genug ausfüllen. Wie wunderbar doch die schönen Aspekte ihres neuen Lebens waren!
    Am Anfang war Claire sich ein wenig wie eine Hochstaplerin vorgekommen, wenn sie das Silberbesteck und Knochenporzellan benutzte oder an Idas barockem Sekretär saß, aber schon bald hielt sie Füllfederhalter und Fischgabeln ganz mühelos in der Hand. Sie wurde mit Fingerschalen vertraut und lernte, für Whit die Krawatte seines Smokings zu binden. Wenn sie morgens die Treppe herunterging, kam sie an Idas Porträt vorbei und strich sich automatisch jedes Mal übers Haar, als könnte das Gemälde sie sehen. Das war zwar albern, aber sie hatte irgendwie das Gefühl, dass Ida im Haus noch immer zugegen war und gespannt abwartete, wer wohl zuerst daraus verbannt werden würde: der Geist der Schwiegermutter oder die bösen Knochen der Schwiegertochter, die sich hier eingeschlichen hatte. Die Laken rochen noch immer nach Idas Säckchen mit Lavendel und Rosenöl. Claire ließ neue Bettwäsche aus Boston kommen, aber als sie das Paket öffnete, schien derselbe Blütenduft aus dem Stoff aufzusteigen, und sie rannte zum nächsten Waschbecken, um sich zu übergeben.
    Als das am folgenden Tag schon wieder passierte, fragte sie sich, ob es vielleicht gar nicht an den Laken lag, sondern vielmehr an ihr. Sie war schwanger.
    »Hoffentlich wird es ein Junge«, meinte Whit, hob sie hoch und legte sie mitten auf die verhassten Laken. »Ein Turner-Junge mit meinen schwarzen Augen, deinen roten Haaren und einem Temperament, das es mit dem Wind aufnehmen kann.« Ihr stockte der Atem. Ein Junge, dachte sie. Nicht blond mit Ethans blauen Augen, aber auch kein Kind der Marsch, wo die

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