Das Geheimnis der Salzschwestern
Woche später beim Einkaufen über den Weg lief und ihr vorschlug, doch einen Spaziergang mit ihm zu machen. »Komm schon«, drängte er und nahm ihr den Korb ab. »Der Sonnenuntergang wird sicher wunderschön.« Also folgte sie ihm aus Mr Uptons Laden und die Bank Street entlang, und als er ihr den Arm um die Taille legte und sie näher an sich heranzog, leistete sie keinen Widerstand. Er war nicht so wie Ethan, aber das war auch gut so. Es war schön, zur Abwechslung von einem Mann gehalten zu werden, der mehr Interesse an ihr hatte als sie an ihm.
Danach begann er, sie alle paar Tage diskret zu umwerben. Es war Whit gewesen, der ihr vorgeschlagen hatte, den Stenografiekurs zu belegen – er meldete sie sogar dafür an –, weil er meinte, sie bräuchte in der Abwesenheit ihrer Mutter und Schwester etwas Ablenkung. Er fand, dass sie schlichtere Kleidung tragen sollte, um ihre Haare und Augen besser zur Geltung zu bringen, und er brachte ihr bei, im Restaurant Messer und Gabel parallel auf den Teller zu legen, um zu signalisieren, dass sie fertig war.
Aber er versuchte nie, sie zu küssen, nicht ein einziges Mal, und darüber war Claire zum Teil froh und zum Teil furchtbar wütend. Sie fragte sich, ob das vielleicht an seiner früheren Freundschaft zu Jo lag, wusste aber, dass man so etwas nicht fragen durfte. War Jo ihm zu wichtig oder zu gleichgültig? Claire konnte es nicht sagen. Schließlich aber verbannte sie diese Überlegungen in einen dunklen Winkel ihres Verstandes. Sie wollte nicht darüber nachdenken, was da vielleicht noch zwischen Whit und Jo war. Ehrlich gesagt wollte sie überhaupt nicht mehr an Jo denken müssen.
Aber Whit nötigte sie auch dazu. »Du musst sie besuchen«, drängte er schließlich, als sie sich seit etwa einem Monat regelmäßig trafen. An diesem Tag saßen sie zusammen in den Dünen. »Man kann die Dinge nur besiegen und wieder frei sein, wenn man sich ihnen stellt.«
Claire hätte ihn gerne darauf hingewiesen, dass ihre Schwester, die ihretwegen mit Verbrennungen im Krankenhaus lag, nun wirklich kein Ding war, aber sie hielt den Mund. Und außerdem hatte Whit ja recht. »Und was, wenn ich gar nicht frei sein will?«, fragte sie und zog sich das Haar vors Gesicht.
Whit schob es wieder beiseite. »Bestimmt willst du das«, widersprach er, und sie musste wieder an ihren Traum von der schattigen, aber fischreichen Insel ohne jedes Salz denken, auf die sie mit Ethan hatte fliehen wollen.
Sie wandte das Gesicht ab. »Na ja, jedenfalls werde ich das nicht machen.«
Whit beugte sich weiter zu ihr vor, sie spürte seinen Atem und dachte, er würde nun endlich versuchen, sie zu küssen, aber er fuhr ihr nur mit dem Finger über Wange und Kinn, so wie die Frauen in der Stadt vor der Beichte das Gesicht der Jungfrau nachzeichneten. »Sei dir da nicht so sicher«, sagte er. »Du hast vielleicht nicht bekommen, was du wolltest«, Claire wurde rot, weil sie wusste, dass er Ethan meinte, »aber ich bekomme immer alles.«
Er ließ seinen Blick über das verrutschte Kleid und ihren entblößten Schenkel wandern, und sie zog den Saum halbherzig wieder nach unten. Damit verbarg sie zwar ihr Bein, sonst aber nur sehr wenig. Unter dem dünnen Stoff konnte man ihre Formen noch erkennen, und sie wischte sich seufzend den Sand aus dem Schoß. Sie hatte keine Ahnung, ob es half oder nur noch alles schlimmer machte, wenn sie versteckte, was früher oder später ja doch ans Licht kommen würde.
Wenn Claire an den Nachmittag zurückdachte, an dem sie die Salt Creek Farm gegen Plover Hill getauscht hatte, fragte sie sich jedes Mal, ob das Ganze nicht vielleicht ein Fehler oder Missverständnis von ihr gewesen war. Immerhin hatte Whit an dem Tag, an dem er ihr den Antrag machte, keinen Ring dabeigehabt. Und er war auch nicht auf die Knie gegangen, so wie Claire sich das bei Ethan immer vorgestellt hatte. Er stammelte nicht nervös herum, als er sie bat, seine Frau zu werden, oder atmete schnaufend ein, und er trug ihr die Sache mit der Ehe auch nicht als Frage vor. Stattdessen tat er, was er am besten konnte – nämlich eine verbindliche Entscheidung treffen –, und Claire, die brave Stenografieschülerin, nahm ihn beim Wort.
An dem Tag schaufelte sie gerade Schlamm aus einem der leeren Verdunstungsbecken. Whit hatte sie noch nie draußen auf dem Gut besucht, aber da stand er nun attraktiv wie immer am Rande der Marsch, so als würde sie ihm bereits gehören. Aufgeregt strich Claire sich übers Haar
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