Das Geheimnis der Saurierinsel
nichts, sondernversuchte einfach der Bewegung zu folgen. Tatsächlich. Er fand einen sicheren Halt dort, wo sie seinen Fuß hinzog.
Der Abstieg dauerte noch länger als der Aufstieg. Doch Max fühlte sich jetzt eigenartig beschützt.
Erst in der Höhle wagten sie, wieder miteinander zu sprechen.
»Na, ein Kletterkünstler bist du nicht gerade«, spottete Mary. »Aber immerhin hast du Mut bewiesen.«
Max lachte erleichtert, auch wenn ihm noch ein bisschen schwindlig war. Er streichelte den kleinen Hund, der seit ihrer Rückkehr aufgeregt bellte und mit dem Schwanz wedelte. Das Fell des Tieres fühlte sich feucht und lehmig an. Wo hatte Tray sich bloß herumgetrieben?
»Was waren das für Männer?«, platzte es neugierig aus ihm heraus, als sie wieder am Lagerfeuer saßen und sich aufwärmten.
Mary schwieg und kaute auf ihrer Unterlippe herum.
»Fossilienjäger«, sagte sie schließlich.
»Das hast du schon gesagt, aber was … was wollen die hier?«
»Sie suchen nach einem ganz bestimmten Fossil«, antwortete Mary vorsichtig.
Max wartete eine Weile darauf, dass sie ihm erklärte, was hier eigentlich los war. Aber Mary starrte ins Feuer und ihre grünen Augen leuchteten auf eine so intensive Art, dass Max sich plötzlich ein bisschen gruselte.
»Warum kannst du so gut klettern? Wie kommst du eigentlich hierher? Wieso wohnst du hier? Und wo sind deine Eltern?« Die Fragen kamen einfach so aus ihm herausgesprudelt, ohne dass er vorher über sie nachgedacht hatte. Aber wenigstens unterbrachen sie diese unheimliche Stille. Er sah Mary dabei nicht an, sondern den eigenartigen, versteinerten Schädel, der von einem Reptil zu stammen schien.
»Du willst eine Menge wissen«, stellte Mary leise fest. »Dabei hast du mir noch nicht einmal erzählt, warum du auf dieser Insel bist.«
Max nickte. Und dann erzählte er ihr alles, was er erlebt hatte, seit er mit seinem Vater und dessen neuer Familie hier Urlaub machte. Sogar den verlorenenSchnuller seines kleinen Halbbruders erwähnte er und die abergläubische Furcht des alten Fischers.
Mary hörte zu. Manchmal sah sie ihn an und manchmal das Feuer. Tray lag an ihrer Seite und spitzte die Ohren, als würde auch er der Geschichte folgen.
»… und dann kam ich am Strand zu mir und spuckte erst mal einen halben Liter Wasser und wusste nicht so recht, wo ich mich befand und was eigentlich passiert war«, beendete Max seinen Bericht.
Wieder herrschte Schweigen. Nur das Feuer knisterte.
»Früher bin ich mit meinem Vater auf Fossiliensuche gegangen«, begann Mary nach einer Weile zu erzählen. »Er hat mir alles beigebracht, was man über die zu Stein erstarrten Wesen wissen muss. Unsere Familie war sehr arm, aber als … als mein Vater starb, wurden wir noch ärmer.« Mary holte tief Luft. »Er ist eines Nachts von einer Klippe abgestürzt. Er überlebte, doch sein Körper wurde seit dem Unfall immer schwächer und schwächer und schließlicherkrankte er schwer und …« Sie presste die Lippen zusammen.
»Das tut mir leid«, flüsterte Max.
Mary nickte. »Ich bin dann allein losgezogen und habe nach Fossilien gesucht. Manchmal hat mich auch mein Bruder Joseph begleitet. Die besten Stücke konnten wir an ein Museum verkaufen und hin und wieder bekam ich für diese Kuriositäten ein paar Schillinge von Menschen, die ihre Ferien in unserer Stadt verbrachten. Von dem Geld konnten wir dann Brot, Fleisch und Tee kaufen.«
Schillinge?, dachte Max verwundert. Kuriositäten? Aber er wollte Mary nicht unterbrechen. Vielleicht hatte sie einfach nur Spaß daran, alte Begriffe zu verwenden.
»Und schließlich machte mein Bruder Joseph eines Tages eine bedeutende Entdeckung. Damals dachte er, es sei der Kopf eines Krokodils, den er da an der Küste ausgrub…« Sie warf Max einen schnellen Blick zu.
»Aber es war kein Krokodil, oder?«, fragte er.
Mary antwortete nicht auf die Frage, sie erzählte einfach weiter.
»Etwa ein Jahr später stieß ich bei einer Grabung in der Nähe der Fundstelle auf weitere fossile Knochen. Ich war inzwischen allein unterwegs. Mein Bruder Joseph ging nun bei einem Polsterer in die Lehre und konnte mich nicht mehr begleiten. Ich holte mir Hilfe und zusammen legten wir das Skelett eines fünf Meter langen, unbekannten Wesens frei.«
Mary zupfte ihrem Hund ein Klümpchen Lehm aus dem Fell und untersuchte es sorgfältig, ehe sie es in die Flammen warf.
»Bald schon kamen Naturforscher und Geologen und bestaunten den Fund«,
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