Das Geheimnis der Schnallenschuhe
Bankhauses Arnholt. Infolge eines Flugzeugunfalls, der den Tod zweier Brüder und eines Vetters zur Folge hatte, wurde Rebecca Arnholt alleinige Erbin eines unermesslichen Vermögens. Sie heiratete einen europäischen Aristokraten mit berühmtem Namen, den Fürsten Felipe di Sanseverato. Drei Jahre später ließ sie sich scheiden, nachdem sie mit diesem wohlerzogenen Schurken zwei erbärmliche Jahre verbracht hatte; das Kind aus dieser Ehe wurde ihr zugesprochen und starb bald darauf.
Durch ihr Unglück verbittert, konzentrierte Rebecca ihre außergewöhnlichen Geistesgaben auf das Finanzgeschäft – die Fähigkeit dazu lag ihr im Blut. Sie wurde Teilhaberin ihres Vaters.
Nach seinem Tod blieb sie mit ihrem riesigen Besitz weiter eine mächtige Erscheinung in der Finanzwelt. Sie kam nach London, und der jüngere Partner eines dortigen Bankhauses, Alistair Blunt, wurde ins Hotel Claridge geschickt, um mit ihr eine Reihe von Schriftstücken durchzusehen. Ein Jahr später empfing die Welt wie einen elektrischen Schlag die Nachricht, dass Rebecca Sanseverato Alistair Blunt heiraten würde, einen Mann, der nahezu zwanzig Jahre jünger war als sie.
Es gab das übliche Gespött. Rebecca – so sagten ihre Freunde – sei wirklich eine unverbesserliche Närrin, wenn ein Mann im Spiel war! Zuerst Sanseverato – jetzt dieser Jüngling. Natürlich heiratete er sie nur des Geldes wegen. Eine zweite Katastrophe stand ihr mit Sicherheit bevor! Aber zur allgemeinen Überraschung erwies sich die zweite Ehe als ein Erfolg. Die Leute, die prophezeit hatten, Alistair Blunt werde Rebeccas Geld für andere Frauen ausgeben, hatten sich geirrt. Er blieb seiner Frau mit stiller Zuneigung treu. Sogar als er nach ihrem Tod, zehn Jahre später, sich als Erbe ihres riesigen Vermögens jeden Wunsch erfüllen konnte, heiratete er nicht wieder. Er führte weiter sein altes ruhiges und einfaches Leben. Seine finanzielle Begabung war nicht geringer als die seiner Frau. Sein Urteil und seine Geschäfte waren gesund – sein Ruf stand außer Frage. Er beherrschte die gewaltigen Interessen der Arnholts und der Rothersteins durch seine überlegenen Fähigkeiten.
In Gesellschaft ging er sehr wenig. Er besaß ein Haus in Kent und eines in Norfolk, wo er das Wochenende zu verbringen pflegte – nicht mit lärmenden Scharen, sondern mit ein paar ruhigen, gesetzten Freunden. Er spielte gern und mäßig Golf und beschäftigte sich mit seinem Garten.
Das war der Mann, zu dem sich Chefinspektor Japp und Hercule Poirot in einem etwas altersschwachen, rüttelnden Taxi jetzt begaben. Das Gotische Haus war eine bekannte Sehenswürdigkeit am Chelsea Embankment – innen nicht sehr modern, aber äußerst behaglich und mit dem Luxus kostspieliger Schlichtheit eingerichtet. Alistair Blunt ließ seine beiden Besucher nicht warten.
«Chefinspektor Japp?»
Japp begrüßte ihn und stellte Hercule Poirot vor, den Blunt mit Interesse betrachtete.
«Ich kenne natürlich Ihren Namen, M. Poirot. Und mir ist, als hätte ich irgendwo ganz kürzlich…» Er dachte stirnrunzelnd nach.
Poirot sagte: «Heute Vormittag, Mr Blunt – im Wartezimmer de ce pauvre M. Morley.»
Alistair Blunts Stirn glättete sich.
«Natürlich. Ich wusste, dass ich Ihnen irgendwo begegnet bin.» Er wandte sich an Japp. «Was kann ich für Sie tun? Was ich über den armen Morley gehört habe, tut mir außerordentlich Leid.»
«Es hat Sie überrascht, Mr Blunt?»
«Sehr. Natürlich habe ich sehr wenig über ihn gewusst, aber er ist mir keineswegs wie ein Mensch vorgekommen, der Selbstmord begehen würde.»
«Er hat also heute Vormittag einen gesunden und normalen Eindruck gemacht?»
«Ich glaube wohl – ja.» Alistair Blunt hielt inne und sagte dann mit einem fast knabenhaften Lächeln: «Ehrlich gesagt, ich bin ein großer Feigling, wenn es sich um den Zahnarzt handelt. Und den Bohrer, dieses scheußliche Ding, hasse ich einfach. Deshalb habe ich eigentlich nicht viel bemerkt. Jedenfalls nicht, bis alles vorbei war und ich aufstehen durfte. Aber ich muss sagen, dass mir Morley hinterher vollkommen normal erschien. Guter Laune und geschäftig.»
«Hatten Sie ihn schon öfters konsultiert?»
«Es war mein dritter oder vierter Besuch bei ihm.»
Hercule Poirot fragte: «Wer hat Ihnen Morley empfohlen?»
Blunts Augenbrauen zogen sich in konzentriertem Nachdenken zusammen.
«Warten Sie einmal – ich hatte Zahnschmerzen – jemand hat mir gesagt, Morley in der Queen Charlotte Street sei
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