Das Geheimnis der Schnallenschuhe
der richtige Mann – nein, ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, wer das gewesen ist. Tut mir Leid.»
«Falls es Ihnen noch einfällt – würden Sie dann einem von uns beiden Bescheid geben?», bat Poirot.
Alistair Blunt sah ihn neugierig an.
«Das will ich gern tun – natürlich. Warum? Ist es wichtig?»
«Ich habe so eine Ahnung», sagte Poirot, «dass es sogar sehr wichtig sein könnte.»
Sie gingen gerade die Stufen vor dem Haus hinunter, als ein Wagen vorfuhr. Es war einer jener «sportlichen» Wagen, bei denen man sich, um auszusteigen, portionsweise unter dem Steuerrad hindurchquetschen muss.
Das junge Mädchen, das diese gymnastische Übung vollführte, schien hauptsächlich aus Armen und Beinen zu bestehen. Die beiden Männer waren noch einige Schritte vom Haus entfernt, als die Befreiung endlich glückte.
Das Mädchen stand auf dem Trottoir und sah ihnen nach. Dann rief sie plötzlich mit kräftiger Stimme: «He!»
Keiner von beiden drehte sich um, denn weder Japp noch Poirot ahnten, dass der Ruf ihnen galt. Das Mädchen rief nochmals: «He! He! Sie dort!»
Sie blieben stehen und schauten fragend zurück. Das Mädchen ging auf sie zu. Der Eindruck, sie bestehe hauptsächlich aus Armen und Beinen, blieb unverändert. Sie war groß und schlank, und ihr Gesicht strahlte eine Intelligenz und Lebendigkeit aus, die für den Mangel an eigentlicher Schönheit entschädigten. Sie war dunkelhaarig und tiefgebräunt.
«Ich weiß, wer Sie sind – Sie sind dieser Detektiv, Hercule Poirot!»
Ihre Stimme hatte einen tiefen, warmen Klang und den Anflug eines amerikanischen Akzents.
Poirot sagte: «Zu Ihren Diensten, Mademoiselle.»
Ihre Augen streiften seinen Begleiter.
«Chefinspektor Japp», stellte Poirot vor.
Sie riss die Augen auf – fast erschrocken, wie es schien.
Atemlos fragte sie: «Warum sind Sie bei uns gewesen? Es ist – es ist doch Onkel Alistair nichts zugestoßen?»
Poirot fragte rasch: «Warum glauben Sie das, Mademoiselle?»
«Es ist nichts passiert? Gut.»
Japp griff Poirots Frage auf. «Warum glauben Sie, dass Mr Blunt etwas zugestoßen sein könnte, Miss…»
Fragend hielt er inne, und mechanisch antwortete sie: «Olivera. Jane Olivera.» Dann ließ sie ein leichtes, wenig überzeugendes Lachen hören. «Wenn man Spürhunde auf der Schwelle findet, denkt man unwillkürlich an ein Verbrechen im Haus, nicht wahr?»
«Mr Blunt ist nichts zugestoßen. Zu meiner Freude kann ich Ihnen dies versichern, Miss Olivera.»
Sie sah Poirot scharf an.
«Hat er Sie zu sich gebeten?»
Japp antwortete: «Nein, Miss Olivera, wir haben ihn aufgesucht, um zu erfahren, ob er zur Aufklärung eines Selbstmordes beitragen kann, der sich heute ereignet hat.»
«Ein Selbstmord? Wer hat sich denn umgebracht?»
«Ein Zahnarzt namens Morley in der Queen Charlotte Street 58.»
«Oh!», murmelte Jane Olivera ausdruckslos.
Sie sah stirnrunzelnd vor sich hin. Dann sagte sie unvermittelt: «Aber das ist doch absurd!» Plötzlich wandte sie sich um, ließ die beiden Männer ohne Gruß stehen, lief die Stufen zum Gotischen Haus hinauf, schloss die Tür auf und verschwand.
«Nun!», murrte Japp und starrte ihr nach. «Das war eine sonderbare Bemerkung!»
«Interessant», bemerkte Poirot milde.
Japp riss sich zusammen, schaute auf die Uhr und winkte einem vorbeifahrenden Taxi.
«Wir haben noch Zeit, auf dem Weg ins Savoy einen Sprung zu dieser Sainsbury Seale zu machen.»
Miss Sainsbury Seale saß in der matt erleuchteten Halle des Glengowrie Court Hotels und trank ihren Nachmittagstee.
Das Auftauchen eines Kriminalbeamten in Zivil erregte sie – aber es war, wie Japp beobachtete, eine angenehme Erregung.
Poirot stellte zu seinem Kummer fest, dass sie ihre Schuhschnalle noch nicht wieder angenäht hatte.
«Wirklich, Kommissar», flötete Miss Sainsbury Seale, «ich weiß wirklich nicht, wo wir hingehen könnten, um für uns zu sein. So schwierig – gerade um die Teezeit –, aber vielleicht würden Sie gern eine Tasse Tee nehmen – Sie und – Ihr Freund?»
«Für mich nicht, Madame», dankte Japp. «Dies ist M. Hercule Poirot.»
«Wirklich?», flüsterte Miss Sainsbury Seale. «Dann könnten wir vielleicht – möchten Sie wirklich beide keinen Tee? Nein? Nun, dann könnten wir es vielleicht mit dem Salon versuchen, obwohl der häufig besetzt ist. Oh – dort drüben wird eine Ecke frei – in der Nische. Die Leute stehen gerade auf. Wollen wir dorthin?»
Sie steuerte auf
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