Das Geheimnis der Schnallenschuhe
quer durchs Zimmer zu ihr hin.
Sie sagte leise: «Sie kommen mit nach Exsham? Warum?»
Poirot zuckte die Achseln.
«Es war ein liebenswürdiger Einfall Ihres Onkels.»
Jane sagte: «Aber er kann doch nicht wissen… er kann nicht… – Wann hat er Sie denn eingeladen? Ach, es ist doch nicht notwendig…»
«Jane!» Mrs Olivera rief aus der Halle.
Jane sagte in leisem, beschwörendem Ton: «Bleiben Sie weg. Bitte, kommen Sie nicht.»
Sie ging hinaus. Poirot hörte, wie sich draußen eine Auseinandersetzung abspielte.
«Ich kann deine Frechheit wirklich nicht länger dulden, Jane… Ich werde Maßnahmen ergreifen, damit du dich nicht mehr einmischst…»
Der Sekretär sagte: «Dann also morgen Abend, kurz vor sechs, M. Poirot?»
Poirot nickte mechanisch. Er stand da wie jemand, der ein Gespenst gesehen hat. Aber es waren die Ohren, nicht die Augen, durch die er den Schlag empfangen hatte. Zwei von den Sätzen, die durch die offene Tür zu ihm gedrungen waren, stimmten fast wörtlich mit dem überein, was er am Abend zuvor am Telefon gehört hatte – und er wusste jetzt, wieso ihm die Stimme bekannt vorgekommen war.
Als er in den Sonnenschein hinaustrat, schüttelte er fassungslos den Kopf. Mrs Olivera? Aber das war doch unmöglich! Es konnte nicht Mrs Olivera gewesen sein, die am Telefon zu ihm gesprochen hatte!
Diese hohlköpfige Gesellschaftshyäne – egoistisch, dumm, habgierig? Wie hatte er sie eben im Stillen genannt? «Diese große, fette Henne? C’est ridicule! » murmelte er.
Seine Ohren, entschied er, mussten ihn getäuscht haben. Und trotzdem…
Der Rolls-Royce holte Poirot pünktlich vor sechs ab. Alistair Blunt und sein Sekretär waren die einzigen Insassen. Mrs Olivera und Jane waren mit dem anderen Wagen schon früher hinausgefahren.
Die Fahrt verlief ereignislos. Blunt erzählte ein bisschen von seinem Garten und von einer kürzlich veranstalteten Blumenausstellung. Und dann bat er Poirot, ihm von seinen interessantesten Kriminalfällen zu erzählen. Für den Rest der Fahrt drehte sich die Unterhaltung um die bedeutendsten Fälle in der Karriere Hercule Poirots. Blunt verschlang gierig wie irgendein Schuljunge jede Einzelheit, die er darüber erfahren konnte.
Die behagliche Stimmung schwand, sobald sie in Exsham waren. Mrs Olivera strahlte eisige Missbilligung aus. Sie übersah Poirot so weit wie möglich und richtete das Wort ausschließlich an den Gastgeber und den Sekretär.
Mr Selby führte Poirot in das für ihn bestimmte Zimmer. Das Haus war reizend, nicht sehr groß, und mit demselben unauffälligen guten Geschmack eingerichtet, den Poirot schon in London bewundert hatte. Alles war kostbar, aber einfach. Die Bedienung war musterhaft, die Küche englisch, und die Weine, die bei Tisch getrunken wurden, bewogen Poirot zu geradezu leidenschaftlicher Anerkennung. Es gab eine ausgezeichnete klare Suppe, gebratene Seezunge, Hammelrücken mit jungen Erbsen und Erdbeeren mit Schlagrahm.
Poirot genoss diese kreatürlichen Freuden mit solcher Hingabe, dass er sich um die unverändert eisige Haltung von Mrs Olivera und die ungehörige Schroffheit ihrer Tochter kaum kümmerte. Jane begegnete ihm aus irgendeinem Grunde mit entschiedener Feindseligkeit. Warum wohl? fragte sich Poirot verwirrt, als das Abendessen seinem Ende zuging.
Blunt ließ den Blick mit sanftem Erstaunen über den Tisch schweifen und fragte: «Speist Helen heute Abend nicht mit uns?»
Julia Olivera presste die Lippen zu einem geraden Strich zusammen und sagte: «Die gute Helen hat sich, glaube ich, im Garten überanstrengt. Ich fand, es würde ihr weit besser tun, sich ins Bett zu legen und auszuruhen, als sich umzuziehen und zum Essen herüberzukommen. Sie hat es vollkommen eingesehen.»
«Aha, ich verstehe.» Blunt machte ein unbestimmtes, etwas überraschtes Gesicht. «Ich dachte, sie würde zum Wochenende gern etwas Abwechslung haben.»
«Helen ist ein so einfacher Mensch. Sie geht gern früh zu Bett.»
Als Poirot sich in den Salon zu den Damen begab, während Blunt zurückblieb, um ein paar Minuten mit seinem Sekretär zu sprechen, hörte er, wie Jane Olivera zu ihrer Mutter sagte: «Die Art, wie du Helen Montressor abgeschoben hast, war Onkel Alistair gar nicht recht, Mutter.»
«Unsinn», antwortete Mrs Olivera unbekümmert. «Alistair ist nur zu gutmütig. Arme Verwandte sind ja schön und gut – es ist sehr großzügig von ihm, dass er ihr das Bauernhäuschen ohne Miete überlässt, aber zu glauben,
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