Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Schnallenschuhe

Das Geheimnis der Schnallenschuhe

Titel: Das Geheimnis der Schnallenschuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
der Täter ist. Soweit ich informiert war, hatte er das Haus lange vor Morleys Tod verlassen. Wahrscheinlich ist jetzt festgestellt worden, dass er sich zur kritischen Zeit noch im Hause aufhielt?»
    «Carter war um zwölf Uhr sechsundzwanzig noch im Hause. Er hat den Mörder mit eigenen Augen gesehen», sagte Poirot.
    «Dann ist also Carter nicht…»
    «Ich sage Ihnen doch: Carter hat den Mörder gesehen.»
    «Hat – hat er ihn – erkannt?»
    Poirot schüttelte langsam den Kopf.

9
     
    A m folgenden Tag verbrachte Poirot einige Stunden mit einem Theateragenten aus seiner Bekanntschaft. Nachmittags fuhr er nach Oxford. Am Tag darauf machte er eine Autotour über Land und kam spät zurück.
    Vor der Abfahrt hatte er mit Alistair Blunt telefoniert und ein Treffen für den Abend verabredet.
    Es war halb zehn, als er im Gotischen Haus anlangte. Er ließ sich zu Blunt führen, der allein in der Bibliothek saß.
    Blunt schüttelte seinem Besucher die Hand und warf ihm einen fragenden Blick zu.
    «Nun?»
    Hercule Poirot nickte langsam.
    Blunt sah ihn mit ungläubiger Bewunderung an.
    «Sie haben sie gefunden?»
    «Ja, ich habe sie gefunden.»
    Er setzte sich und seufzte.
    Alistair Blunt fragte: «Sind Sie müde?»
    «Ja, ich bin müde. Und was ich Ihnen zu sagen habe – ist nicht angenehm.»
    «Ist sie tot?»
    «Das hängt davon ab», antwortete Poirot langsam, «wie Sie die Sache betrachten…»
    Blunt sagte stirnrunzelnd: «Mein lieber Mann – ein Mensch muss doch entweder tot oder lebendig sein. Eines von beiden muss also auch auf Miss Sainsbury Seale zutreffen, oder?»
    «Ja – aber wer ist Miss Sainsbury Seale?»
    «Meinen Sie damit, dass diese Person – gar nicht existiert?», fragte Blunt zögernd.
    «Nein, nein: Sie hat existiert. Sie hat in Kalkutta gewohnt, gab Sprachunterricht, war wohltätig, und auf der ‹Maharanah› kam sie nach England. Sie war auf demselben Schiff, das auch Mr Amberiotis benutzte. Obschon sie nicht in der gleichen Klasse reisten, hat er ihr einen kleinen Dienst erwiesen – es drehte sich um ihr Gepäck. In Kleinigkeiten scheint er ein hilfsbereiter Mensch gewesen zu sein. Und manchmal, Mr Blunt, macht sich Hilfsbereitschaft in unerwarteter Weise bezahlt. So erging es auch Mr Amberiotis. Der Zufall wollte, dass er die Dame in London auf der Straße wiedertraf. Er war in Geberlaune und lud sie zum Mittagessen ins Savoy ein. Das war ein unerwartetes Fest für sie – und für Mr Amberiotis ein unerwarteter Glücksfall! Denn seiner Gutmütigkeit lag keinerlei Berechnung zugrunde – er hatte keine Ahnung, dass diese verwelkte, ältliche Dame ihm ein Geschenk machen würde, das für ihn einer Goldgrube gleichkam. Und doch tat sie das – freilich ohne es zu wissen.
    Sie war nicht besonders helle, verstehen Sie. Eine brave, gutmütige Haut, aber mit der Intelligenz – sagen wir – einer Henne.»
    Blunt fragte: «Dann ist die Chapman also nicht von ihr umgebracht worden?»
    Poirot sagte langsam: «Ich weiß nicht recht, wie ich den Fall darstellen soll. Ich werde, glaube ich, dort anfangen, wo er für mich begonnen hat. Mit einem Schuh!»
    Blunt fragte verständnislos: «Mit einem Schuh?»
    Poirot nickte. «Ja, mit einem Schnallenschuh. Ich kam von der Behandlung beim Zahnarzt, und als ich auf den Stufen des Hauses Queen Charlotte Street 58 stand, hielt ein Taxi, und ich sah den Fuß der Frau, die im Begriff war auszusteigen. Ich gehöre zu den Männern, die sich Fuß und Knöchel bei einer Frau ansehen. Es war ein wohlgeformter Fuß mit schlanker Fessel und einem teuren Strumpf – aber der Schuh gefiel mir nicht. Es war ein neuer, glänzender Lackschuh mit einer großen, verzierten Schnalle. Nicht schick – gar nicht schick!
    Und während ich diese Beobachtungen anstellte, kam der restliche Teil der Frau zum Vorschein. Das war, offen gesagt, eine Enttäuschung: eine angejahrte Dame ohne Charme und schlecht angezogen.»
    «Miss Sainsbury Seale?»
    «Sehr richtig. Bei ihrem Aussteigen ereignete sich ein kleiner Unglücksfall: Die Schnalle ihres einen Schuhs verfing sich in der Tür des Taxis und wurde abgerissen. Ich hob die Schnalle auf und gab sie ihr zurück. Das war alles. Der Zwischenfall war abgeschlossen.
    Im weiteren Verlauf des gleichen Tages suchte ich mit Chefinspektor Japp die Dame auf, um ihr verschiedene Fragen zu stellen – übrigens hatte sie da die Schnalle noch nicht wieder angenäht. Am selben Abend verließ Miss Sainsbury Seale ihr Hotel und verschwand spurlos.

Weitere Kostenlose Bücher