Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis Der Schönen Toten

Das Geheimnis Der Schönen Toten

Titel: Das Geheimnis Der Schönen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
noch einmal hereinzukommen und ein paar nachbarliche Worte mit meiner Mutter zu wechseln, Hugh, da Ihr schon mal hier seid. Sie kann jetzt überhaupt nicht mehr ausgehen und bekommt nur sehr selten Besuch. Seit der Beerdigung meines Vaters hat sie das Haus nicht mehr verlassen. Wenn Ihr einen Augenblick zu ihr hineinschauen könntet, würde sie das freuen.«
    »Aber gern, gewiß«, sagte Hugh und kehrte sofort um.
    »Aber sagt ihr nichts von dieser toten Frau. Das würde sie nur aufregen. Es ist immerhin Land, das vor kurzem noch uns gehört hat, und Ruald war unser Pächter . . . Sie hat auch so weiß Gott genug zu ertragen. Wir versuchen, die schlechten Nachrichten der Welt von ihr fernzuhalten, und dies um so mehr, wenn sich Dinge in allernächster Nähe ereignen.«
    »Kein Wort!« erklärte sich Hugh einverstanden. »Wie ist es ihr ergangen, seit ich sie zum letzten Mal sah?«
    Der junge Mann schüttelte den Kopf. »Keine Veränderung. Sie wird nur mit jedem Tag ein wenig dünner und blasser, beklagt sich aber nie. Ihr werdet es ja sehen. Geht nur zu ihr hinein!« Er legte die Hand an den Vorhang und senkte die Stimme, so daß nur Hugh ihn hören konnte. Es war ihm anzusehen, daß es ihm widerstrebte, mit seinem Gast hineinzugehen, denn seine lebenskräftige Jugend fühlte sich in Gegenwart der Krankheit unbehaglich und hilflos, so daß man ihm nachsehen konnte, daß er den Blick abwandte. Kaum hatte er die Tür zum Boudoir geöffnet und das Wort an die Frau darin gerichtet, wurde seine Stimme unnatürlich sanft und gehemmt, als spräche er zu einer etwas unnahbaren Fremden, der er jedoch Zuneigung schuldig war. »Mutter, wir haben Besuch. Hugh Beringar.«
    Hugh ging an ihm vorbei und betrat einen kleinen, von einer flachen Kohlenpfanne auf einem flachen Steinquader erwärmten Raum, der von einer Fackel in einem Wandleuchter erhellt wurde. Gleich unter dem Licht saß die verwitwete Herrin von Longner auf einer Bank an der Wand. Sie saß aufrecht, durch Kissen und grobe Wolldecken gestützt, und beherrschte in ihrer Reglosigkeit und Haltung den Raum. Sie war schon jenseits der fünfundvierzig, und ihr langes Siechtum hatte sie vorzeitig ergrauen und abmagern lassen. Vor sich hatte sie einen Spinnrocken, und sie wickelte die Wolle mit einer Hand auf, die so zerbrechlich aussah wie ein verwittertes Blatt, die aber mit Geduld und Geschick die Wollfäden krempelte und drehte.
    Als Hugh eintrat, blickte sie mit einem überraschten Lächeln hoch und ließ die Spindel sinken.
    »Oh, mein Herr, wie reizend von Euch! Es ist lange her, seit ich Euch zum letzten Mal sah.« Das war bei der Beerdigung ihres Mannes vor inzwischen sieben Monaten gewesen. Sie reichte ihm die Hand, die leicht wie eine Anemone in der seinen lag und sich genauso kalt anfühlte, als er sie küßte. Ihre Augen, riesig und von einem trüben Blau, lagen tief in den Höhlen und musterten ihn mit gemessener und kluger Intelligenz. »Euer Amt steht Euch«, sagte sie. »Verantwortung scheint Euch zu bekommen. Ich bin nicht so eitel zu glauben, Ihr hättet die Reise hierher meinetwegen auf Euch genommen, wo eure Zeit durch wichtigere Dinge so in Anspruch genommen wird. Hattet Ihr etwas mit Eudo zu besprechen? Was immer Euch hergeführt hat, es ist mir immer willkommen, Euch zu sehen.«
    »Man hält mich beschäftigt«, erwiderte Hugh mit überlegter Zurückhaltung. »Ja, ich hatte etwas mit Eudo zu besprechen. Jedoch nichts, was Euch bekümmern müßte.
    Und ich sollte nicht zu lange bleiben, um Euch nicht zu sehr in Anspruch zu nehmen, und über Amtliches werde ich ohnehin nicht mit Euch sprechen. Wie geht es Euch? Gibt es etwas, was Ihr braucht oder womit ich Euch dienen kann?«
    »Alle meine Wünsche werden erfüllt, bevor ich sie auch nur äußern kann«, erklärte Donata. »Eudo ist eine gute Seele, und ich schätze mich glücklich, die Tochter zu haben, die er mir ins Haus gebracht hat. Ich habe keinen Grund zur Klage. Habt Ihr gewußt, daß das Mädchen schon schwanger ist? Und kräftig und gesund wie gutes Brot, so daß sie sicher Söhne bekommen wird. Eudo hat gut für sich gesorgt. Vielleicht vermisse ich von Zeit zu Zeit die Außenwelt. Mein Sohn ist vollauf damit beschäftigt, sein Gut mit jeder Ernte etwas weiter zu bringen, besonders jetzt, wo er sich auf einen eigenen Sohn freut. Als mein Herr noch am Leben war, sah er über die Grenzen seiner Ländereien hinaus. Ich erfuhr von jedem Auf und Ab im Schicksal des Königs. Der Wind wehte immer

Weitere Kostenlose Bücher