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Das Geheimnis Der Schönen Toten

Das Geheimnis Der Schönen Toten

Titel: Das Geheimnis Der Schönen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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als eine Prüfung seines Glaubens und seiner Geduld. Wenn wir uns alle gegen ihn wenden und ihn für schuldig erklären würden, würde er es demütig und mit Dankbarkeit auf sich nehmen. Nichts würde ihn dazu bringen, dem auszuweichen. Nein, ich werde mir vielmehr vornehmen, mir von seinem gesamten Tun und Lassen seit seinem Eintritt ins Kloster ein Bild zu machen. Sollte es je dazu kommen, daß ich Grund habe, ihn ernsthaft zu verdächtigen, weiß ich, wo ich ihn finde.«
    »Und bis jetzt hast du keinen solchen Anlaß gefunden?«
    »Nicht mehr als am ersten Tag und auch nicht weniger.
    Und ich habe auch keine andere Frau gefunden, die ihren rechtmäßigen Platz verlassen hätte. Der Ort, die denkbare Zeit, das Zerwürfnis zwischen ihnen, der Zorn, das alles spricht gegen Ruald und legt den Schluß nahe, daß dies Generys gewesen ist. Doch Generys war noch am Leben, nachdem er schon hier im Kloster lebte, und ich habe noch keine Gelegenheit gefunden, bei der er sich mit ihr hätte treffen können, abgesehen von der Begegnung zusammen mit Bruder Paul, von der uns beide erzählt haben. Ist es aber absolut undenkbar, daß er, vielleicht nur ein einziges Mal, allein einen Gang erledigt hat und gegen jedes Gebot zu ihr gegangen ist? Denn ich bin sicher, daß Radulfus der Bitterkeit zwischen ihnen ein Ende machen wollte. Wohin ich auch blicke«, sagte Hugh gereizt und müde, »sehe ich nur Ruald und Generys, und ich kann niemanden finden, der sonst ins Bild paßt.«
    »Aber du glaubst es nicht«, schloß Cadfael daraus und lächelte.
    »Von Glauben oder Nichtglauben kann man hier nicht sprechen. Ich suche weiter. Ruald wird uns nicht weglaufen. Wenn böse Zungen ihn als den Schuldigen bezeichnen, ist er hier im Kloster vor Schlimmerem bewahrt. Und wenn sie ihn zu Unrecht beschuldigen, kann er das als christliche Prüfung auffassen und geduldig auf seine Erlösung warten.«

4. Kapitel
    Am achten Tag des Oktober begann der Morgen mit einem grauen, auf dem Gesicht kaum wahrnehmbaren Nieselregen, der erst nach einiger Zeit die Nässe spüren ließ. Die arbeitenden Menschen des Foregate-Viertels gingen in Sackleinen gehüllt ihrer Arbeit nach, und der junge Mann, der auf der Landstraße an dem Gelände des Pferdemarkts vorbeitrottete, hatte sich seine Kapuze tief in die Stirn gezogen und sah wie einer der vielen anderen aus, die an diesem mühsamen Morgen trotz des Wetters hinaus mußten. Die Tatsache, daß er das Benediktinerhabit trug, erregte keine Aufmerksamkeit. Man hielt ihn für einen der ortsansässigen Klosterbrüder, der vielleicht einen Botengang von der Abtei nach Saint Giles zu erledigen hatte und jetzt auf dem Rückweg war, um noch rechtzeitig zur Messe und zum Ordenskapitel dazusein. Er machte weit ausgreifende Schritte, trottete aber dahin, als wären die in Sandalen steckenden Füße nicht nur schlammbedeckt, sondern auch wund. Sein Habit war fast bis zum Knie geschürzt und entblößte muskulöse, wohlgeformte, glatte und junge Beine, die bis zu den Fesseln schlammverschmiert waren.
    Es hatte den Anschein, als hätte er einen längeren Weg hinter sich als nur bis zum Hospital und zurück und als hätte er ihn auf weniger belebten und gepflegten Straßen als denen des Foregate zurückgelegt.
    Er war von mittlerer Körpergröße, jedoch schlank und eckig wie so viele junge Leute, die noch nicht darin geübt sind, einen Männerkörper zu beherrschen, so wie sich einjährige Fohlen ungeschickt und hüpfend bewegen. Und es fiel Bruder Cadfael als sonderbar auf zu sehen, wie ein solcher Jüngling die Füße zwar entschlossen, doch behutsam aufsetzte und sich mit Mühe vorwärtsbewegte. Cadfael war auf dem Weg zu seiner Werkstatt, dort, wo der Pfad in den Garten abbog, stehengeblieben und hatte sich umgesehen und zurückgeblickt, als der junge Mann gerade durch die Pforte am Torhaus trat. Der Schritt des Neuankömmlings fiel ihm als ersteh auf, bevor er sonst etwas an ihm bemerkte. Verspätete Neugier ließ ihn ein zweites Mal hinsehen, gerade noch rechtzeitig, um zu beobachten, daß der Mann, der soeben eingetreten war, zwar offenkundig ein Bruder, jedoch stehengeblieben war, um mit dem Pförtner zu sprechen wie ein Fremder, der sich höflich erkundigt, an wen er sich wenden solle. Anscheinend kein Bruder aus diesem Haus. Und als jetzt Cadfael aufmerksam hinsah, konnte es auch keiner sein, den er kannte. Ein abgetragenes schwarzes Habit sieht aus wie das andere, vor allem dann, wenn die Kapuze gegen den Regen

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