Das Geheimnis Der Schönen Toten
tief in die Stirn gezogen ist, doch Cadfael hätte jedes Mitglied dieses umfangreichen Haushalts erkannt, ob nun einen zum Chordienst verpflichteten Mönch, einen Novizen, Haushai ter oder Postulanten, und das auf größere Entfernung als nur quer über den Hof, und dieser Bursche war keiner davon. Nicht daß daran etwas seltsam wäre, da ein Bruder aus einem anderen Haus des Ordens sehr wohl in einer offiziellen Angelegenheit nach Shrewsbury geschickt werden konnte. Doch dieser Besucher hatte etwas an sich, was ihn auffallen ließ. Er kam zu Fuß: Offizielle Sendboten von Haus zu Haus legten den Weg eher zu Pferde zurück. Und dieser Mann mußte, seiner äußeren Erscheinung nach zu urteilen, eine beträchtliche Strecke zu Fuß zurückgelegt haben. Er war schäbig gekleidet, hatte wunde Füße und wirkte erschöpft.
Es war nicht allein Cadfaels Gewohnheitssünde, die Neugier, die ihn sein ursprüngliches Vorhaben aufgeben und den großen Hof zum Torhaus überqueren ließ. Es war fast Zeit, sich für die Messe bereit zu machen, und wegen des Regens mußte jeder, der im Freien etwas zu tun hatte, das möglichst schnell hinter sich bringen und wieder eilig unter Dach Schutz suchen, so daß im Augenblick sonst niemand zu sehen war, der seine Hilfe beim Überbringen von Botschaften oder beim Begleiten eines Bittstellers hätte anbieten können. Es sei allerdings eingestanden, daß Neugier eine Rolle spielte. Cadfael näherte sich dem Paar am Tor mit aufmerksamem Blick und beflissener Zunge.
»Ihr braucht einen Boten, Bruder? Kann ich helfen?«
»Unser Bruder hier sagt, er habe Anweisung«, sagte der Pförtner, »sich zunächst beim Herrn Abt zu melden. So wünscht es sein Abt. Er hat etwas zu berichten, bevor er sich ausruhen kann.«
»Abt Radulfus ist noch in seiner Amtswohnung«, sagte Cadfael, »denn dort habe ich ihn erst vor kurzem verlassen.
Soll ich Euren Besuch ankündigen? Er war allein. Wenn es so ernst ist, wird er Euch gewiß sofort empfangen.«
Der junge Mann zog sich die nasse Kapuze vom Kopf und schüttelte sich die Tropfen, die langsam durch sie hindurchgesickert waren, aus einer Tonsur, die allmählich zu lang wurde, um vorschriftsgemäß zu sein, und von einem Scheitel, der mit einem merkwürdigen Gestrüpp lockiger Haare von einem dunklen Braungold bedeckt war.
Ja, er mußte lange unterwegs gewesen sein und von seinem fernen Kloster, wo immer es lag, hartnäckig zu Fuß aufsein Ziel losgestapft sein. Er hatte ein ovales Gesicht, das sich von einer breiten Stirn und auseinanderstehenden Augen zu einem energischen, vorspringenden Kinn hin verjüngte, das im Augenblick von einem feinen goldbraunen Flaum bedeckt war, der zu seinem unrasierten Scheitel paßte. Er mochte zwar erschöpft sein und wunde Füße haben, aber sonst schien ihm sein langer Marsch kaum geschadet zu haben, denn seine Wangen wiesen eine gesunde Rötung auf, und seine Augen waren von einem klaren hellen Blau.
Ihr Blick ruhte leuchtend und fest auf Cadfael.
»Ich wäre froh, wenn er mich gleich empfängt«, sagte er, »denn ich sollte mir wirklich den Reisestaub abwaschen.
Aber ich bin beauftragt, mich ihm erst zu offenbaren. Und ich muß tun, wie man mir geheißen hat. Und, ja, die Angelegenheit ist für den Orden ernst genug - und auch für mich, obwohl das ohne Bedeutung ist«, fügte er hinzu und schüttelte mit der Feuchtigkeit seiner Kapuze und seines Skapuliers für den Augenblick die Sorgen um seine eigenen Probleme ab.
»Vielleicht ist er anderer Meinung«, sagte Cadfael.
»Aber kommt mit, dann werden wir es feststellen.« Und damit ging er mit energischen Schritten vor seinem Besucher her über den großen Innenhof zur Wohnung des Abts und ließ den Pförtner zurück, der sich aus dem hartnäckigen Regen wieder in die Behaglichkeit seiner Wohnung zurückziehen konnte.
»Wie lange seid Ihr unterwegs gewesen?« fragte Cadfael den jungen Mann, der neben ihm herhumpelte.
»Sieben Tage.« Seine Stimme war leise und klar und paßte zu allen anderen Anzeichen seiner Jugend. Cadfael schätzte, daß er nicht älter als zwanzig sein konnte, vielleicht nicht einmal das.
»Allein auf so einen weiten Botengang geschickt?« sagte Cadfael staunend.
»Bruder, man hat uns alle in alle Winde zerstreut. Vergebt mir, wenn ich für mich behalte, was ich zu sagen habe, da ich es erst dem Herrn Abt berichten muß. Ich möchte es so schnell wie möglich, und wenn es geht, nur einmal erzählen und dann alles weitere ihm
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