Das Geheimnis der Schwestern
Zwangsvollstreckung.«
Da niemand etwas darauf sagte, schob Winona ein weiteres Blatt Papier zu ihm hinüber. »Das sind die Einkünfte, die du und Vivi Ann jeden Monat erzielen müssen, um über die Runden zu kommen. Wenn ihr wollt, kann ich mich im ersten Jahr oder auch länger um die Finanzen kümmern. Zum Beispiel die Rechnungen zahlen und die Ausgaben überwachen. Natürlich kann ich auch eine Vollzeitkraft einstellen, die euch hier hilft.« Sie sah erst Vivi Ann und dann ihren Vater vielsagend an. »Ich werde dafür sorgen, dass er nicht gleich wieder verschwindet.«
»Gott sei Dank«, sagte Vivi Ann lachend. »Wir wissen ja, dass ich für Mitarbeiter kein Händchen habe.«
Dad murmelte etwas Unverständliches und stand auf. Ohne sie nur eines Blickes zu würdigen, ging er in sein Arbeitszimmer und schloss die Tür hinter sich.
Winona saß da und ärgerte sich wieder einmal über sich selbst, weil sie etwas von ihm erwartet hatte. Zumindest ein bisschen Dankbarkeit.
»Mach dir um Dad keine Gedanken«, erklärte Aurora. »Du hast tolle Vorarbeit geleistet. Das wissen wir zu schätzen, nicht wahr, Vivi?«
»Allerdings, tolle Arbeit. Wirklich«, bestätigte Vivi Ann. »Er hat bloß Angst. Ich finde, wir könnten das mit einem Eis feiern.« Sie stand auf und eilte in die Küche. Dort holte sie ihr Lieblingseis und ging hinaus auf die Veranda.
Winona und Aurora taten es ihr gleich. Aurora nahm ihre Lieblingssorte – Praline-Sahne – und zwei Löffel.
Aber Winonas Lieblingssorte war nicht da, deshalb wählte sie Trüffel-Nuss und gesellte sich zu ihren Schwestern. Im Laufe der Jahre hatten sie schon unzählige Male auf der Veranda Eis gegessen und geplaudert. »Hey, wer hat mein Schoko-Kirsch-Eis gegessen?«, wollte sie wissen.
»Luke Connelly«, antwortete Vivi Ann. »Er ist neulich vorbeigekommen. Ich hab ihn nicht mal erkannt, so hat er sich verändert. Er sieht viel besser aus, als ich ihn in Erinnerung hatte.«
Aurora warf Winona einen scharfen Blick zu.
»Was wollte er denn?«, fragte Winona und bemühte sich um einen beiläufigen Ton.
»Dad besuchen. Der arme Kerl platzte mitten in meine Jugendgruppe und musste sich mit den Mädels unterhalten. Aber er war ziemlich cool.« Vivi Ann aß noch etwas von ihrem Eis und fügte dann hinzu: »Er wollte mit mir ausgehen.«
Winona wusste, dass sie jetzt so hätte tun sollen, als wäre alles in Ordnung. So wie immer bei Vivi Ann, aber dieses Mal schaffte sie es einfach nicht. »Ich muss los. Morgen ist ein wichtiger Tag in der Kanzlei … Viele Verträge anzuhören. Das heißt: zu lesen. Zu lesen, meinte ich.«
»Für mich ist es auch Zeit«, sagte Aurora. Sie legte einen Arm um Winonas Schultern und führte sie die Veranda hinunter zu ihren Fahrzeugen. Falls Vivi Ann etwas an ihrem Verhalten auffiel, sagte sie nichts darüber; stattdessen rief sie ihnen einen Abschiedsgruß nach und brachte die Eisbecher wieder zurück ins Haus.
Kaum war die Tür hinter ihr zugefallen, wandte Aurora sich an Winona. »Sagst du es ihr, oder soll ich das übernehmen?«
»Was denn?«
»Jetzt spiel nicht die Ahnungslose. Du musst Vivi Ann sagen, dass du dich für Luke interessierst.«
»Damit ich noch erbärmlicher dastehe? Nein, danke. Ich wusste , dass er sich nicht für mich interessiert. Wieso bloß hatte ich etwas anderes gehofft? Wer nimmt schon die Dicke, wenn Michelle Pfeiffer direkt danebensteht?«
»Sprich mit Vivi Ann. Sie wird die Verabredung absagen und keine neue treffen.«
Winona schmeckte fast, wie demütigend dieses Gespräch war; es war gleichzeitig bitter und sauer, wie eine verdorbene Limette. »Auf keinen Fall. Außerdem verschleißt Vivi Ann Männer wie ich Post-it-Zettel. Luke ist viel zu ruhig für sie; du weißt doch, dass sie abenteuerliche Typen bevorzugt. Also wird es nicht lange halten.«
»Darauf kannst du dich nicht verlassen. Du musst es ihr sagen.«
»Nein. Und versprich mir, dass du ihr auch nichts sagst. Ich würde mich zu Tode schämen, wenn Luke etwas davon mitbekäme. Offensichtlich empfindet er für mich nicht so wie ich für ihn.« Als Aurora sie unschlüssig ansah, wiederholte Winona: »Versprich es mir.« Sie wusste, dass Aurora nicht leichtfertig Versprechen abgab und sie niemals brach.
»Also gut, ich werde nichts sagen. Es ist dein Leben, und du bist erwachsen … aber du machst einen Riesenfehler. Du hattest schon immer einen Minderwertigkeitskomplex gegenüber Vivi Ann. Der könnte jetzt zu einem ernsten Problem
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