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Das Geheimnis der Schwestern

Das Geheimnis der Schwestern

Titel: Das Geheimnis der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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werden. Und es ist auch nicht fair, weil Vivi Ann keine Ahnung hat. Wenn sie Bescheid wüsste, würde sie dir niemals weh tun wollen.«
    »Versprich es mir.«
    »Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl dabei, Win.«
    »Versprich es.«
    »Ach, verdammt! Na gut, ich verspreche es. Ich werde auch kein Wort mehr darüber verlieren. Nur noch mal sagen, dass ich ein ganz schlechtes Gefühl habe. Du machst einen Fehler.«
    »Gott sei Dank hast du ihr noch nichts gesagt«, erwiderte Winona grimmig. »Und jetzt lass uns heimfahren.«
    Ende Februar, Anfang März regnete es in Oyster Shores ununterbrochen. Die Weiden standen unter Wasser, die Pferde trotteten durch braunen Morast. Über Nacht bildeten sich silbrige Bächlein, die durch die Gräben neben dem Zufahrtsweg strömten. Die mickrigen lilafarbenen Krokusse, die kühn ihren Kopf durch die schlammige Erde steckten, wurden rasch vom Regen niedergedrückt.
    Das Wetter entsprach Winonas Stimmung. Natürlich nicht ganz: Die hundertprozentige Entsprechung wären dicke dunkle Wolken gewesen, die sich für einen aufziehenden Sturm zusammenzögen. Dennoch fühlte sie sich darin so heimisch, dass sie den Regen vermisste, als im April der Himmel zum ersten Mal seit Monaten aufriss und die fahle Sonne aus ihrem Versteck herauskam. Ihr strahlendes Licht war für Winona ein Ärgernis.
    Die schönen Pflaumenbäume auf der Viewcrest fingen an zu blühen, und in ihrem Garten regte sich überall neues Leben. Tulpen begannen zu blühen, die ersten Knospen an der Linde, goldgelbe Narzissen. Ein täglicher Hinweis auf den Wechsel der Jahreszeiten: Der stahlgraue Winter wich dem hellen, sonnigen Frühling. Normalerweise liebte Winona die Zeit der Blumen, wenn rosafarbene Blüten wie winzige Zuckerwattestückchen durch den Garten wehten und die Erde bedeckten, aber dieses Jahr war die Zeit nicht ihr Freund. Dieses Jahr maß sich die Zeit an den Tagen, die Vivi Ann mit Luke verbrachte.
    Sie waren mittlerweile fast drei Monate zusammen, und wenn Winona nachts in ihrem einsamen Bett lag, ertappte sie sich manchmal dabei, dass sie sie als Tage zählte, die Vivi Ann ihr gestohlen hatte. Samstagabende beim Tanz in der Outlaw Tavern mit Luke; die Sonntage nach der Kirche; gemeinsame Abende mit Dad im Haus. Winona war weder dumm noch verrückt. Sie wusste genau, dass diese eingebildeten Stunden niemals ihr gehört hatten und Vivi Ann ihr folglich nichts wegnahm. Dennoch fühlte sie sich betrogen. Jeden Morgen wachte sie auf und dachte: Heute macht sie Schluss mit ihm , und dann beschwor sie Zukunftsszenarien herauf: wie Winona ihn trösten, wie sie seine Hand halten und ihn reden lassen würde, bis er sich schließlich ihr zuwenden, die Wahrheit erkennen und alles gut werden würde.
    Und jeden Abend, wenn sie wieder allein ins Bett ging, dachte sie: Dann eben morgen.
    Nur eine tiefe, absolute Überzeugung hielt sie aufrecht: Vivi Ann liebte Luke nicht. Für ihre schöne, leichtsinnige Schwester war eine Affäre mit Luke nur Spaß, ein Zeitvertreib.
    Winona musste lediglich ihre Gefühle verbergen und auf das unvermeidliche Ende der Affäre warten.
    An diesem Samstagabend zog sie sich besonders sorgfältig für das letzte Barrel-Racing-Rodeo an: schwarze Jeans, weiße Tunika, mehrreihige Kette aus bunten Steinen und schwarze Cowboystiefel. Sie drehte ihr Haar auf und fixierte es mit Festiger, schminkte sich aufwendig und fuhr dann zur Ranch.
    Die gesamte Zufahrt war mit Trucks und Anhängern vollgestellt. Aus der überdachten Reitarena drang goldenes Licht; sie sah Schatten durch den Lichtstrahl sich hin und her bewegen. Vivi Anns letztes Barrel-Racing-Rodeo schien ein Erfolg zu sein.
    Sie fand einen freien Parkplatz, ging dann zur Arena und sah hinein. Auf einer Seite der Arena bildeten die neuen Boxen und Schutzwände ein Karomuster aus Holz, und die erhöhte Schiedsrichterkabine war fast fertig. In der Arena saßen mindestens zweiundzwanzig Frauen und Mädchen auf ihren Pferden. Eine ritt rasend schnell um das erste von drei Fässern; sie trieb das Pferd mit den Fersen an und rief laut: Ha! Die anderen warteten, dass sie an die Reihe kamen.
    Vivi Ann befand sich in der Mitte des Ganzen und dirigierte das Chaos wie eine wunderschöne, strahlende Zirkusdirektorin. Die Mädchen hingen an ihren Lippen und verehrten sie wie einen Filmstar, weil sie wusste, wie man ein Pferd unter vierzehn Sekunden um drei Fässer treiben konnte.
    Vivi Ann sah Winona und winkte.
    Winona winkte zurück, sah sich aber schon

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