Das Geheimnis der Schwestern
holte zwei Bier aus dem Kühlschrank, gab ihm eins und sagte: »Du hast dich tapfer geschlagen.«
»Aber du bist ihr Idol.«
»Ich weiß. Toll, nicht wahr?«
Sie setzten sich aufs Sofa und legten die Füße auf den Sofatisch. Im Kamin knackte ein Holzscheit und fiel funkensprühend durch den Rost.
»Eigentlich erinnerst du dich nicht an mich, oder?«, fragte er. »Als ich dir letzte Woche an der Tankstelle zuwinkte, hast du nicht reagiert.«
»Natürlich erinnere ich mich noch an dich, aber ich hatte kein festes Bild im Kopf. Du warst der Nachbarjunge, der Sohn der besten Freundin meiner Mutter. Ich hatte nie mit dir zu tun, weil ich zu sehr mit meinen Pferden beschäftigt war. Als du wegzogst, war ich – wie alt? – vierzehn?«
»Ungefähr. Ich weiß nur, dass du jedes Mal, wenn ich dich sah, auf diesem kleinen Pony gesessen hast und wie der Teufel geritten bist. Und später war es … das Pferd deiner Mutter.«
»Ich verbringe immer noch die meiste Zeit auf Clem und versuche, die Schallmauer zu durchbrechen.«
»Wieso bist du nicht fürs College weggezogen, wie deine Schwestern?«
Sie lachte. »Aber ich war doch weg. Nur bin ich sofort wieder zurückgekommen. Ich hatte zu viel Bier, zu viele Jungs und zu wenig Bücher. Außerdem hat Dad mich gebraucht.«
Er trank einen Schluck von seinem Bier. »Meine Mom hatte sich schon gedacht, dass du hier bist; sie hat sogar geahnt, dass du eine Jugendgruppe hast.«
»Wie denn das?«
»Sie meinte, du seist wie Donna. Eine Seele von Mensch.«
»Das ist nett von ihr. Ich erinnere mich nicht mehr so gut an Mom. Das bedaure ich sehr. Was wolltest du eigentlich von meinem Vater?«
»Henry hat mir eine Nachricht hinterlassen. Er wollte mit mir besprechen, ob er meine Weide nutzen kann. Weißt du, worum es dabei geht?«
Daraufhin erzählte ihm Vivi Ann von ihrer Idee, Water’s Edge mit Barrel-Racing-Rodeos und Team-Roping-Jackpots zu retten. Als sie fertig war, sah sie ihn erwartungsvoll an.
»Was genau ist ein Jackpot?«
»Das Gleiche wie ein Rodeo, nur ist es ein einzelnes Event, und die Teams haben mehr Möglichkeiten, teilzunehmen. Es gibt verschiedene Runden, und man kann in unterschiedlichen Kombinationen antreten, so dass fünfzig Teilnehmer über zweihundert Teams bilden können. Dadurch hat jeder mehr Chancen, zu gewinnen.«
»Klingt wie eine gute Idee.«
»Finde ich auch, aber die Voraussetzungen müssen stimmen. Dazu braucht man Geld, das Dad allerdings nicht hat. Ich wollte erst mal versuchsweise mit dem Barrel-Racing-Rodeo anfangen.«
»Tja, da ich Tierarzt und neu in der Stadt bin, könnte ich etwas Werbung gebrauchen. Wie wäre es also mit kostenloser Tierarztbehandlung für den Gewinner? Das ist gut und gerne hundertfünfzig Dollar wert.«
Bis jetzt war es Vivi Ann nie in den Sinn gekommen, sich durch Sponsoren unterstützen zu lassen, aber kaum hörte sie Lukes Vorschlag, kam ihr die Möglichkeit sehr naheliegend vor. Zusätzlich zu den Geldpreisen konnte sie sich Gutscheine von verschiedenen ansässigen Händlern besorgen: zum Beispiel für Futtermittel, Sattel und anderen Reitsportbedarf. »Ich würde sagen, diese Idee ist ein Eis wert. Komm.« Sie nahm seine Hand und zog ihn in die Küche.
»Eis und Bier? Passt das denn zusammen?«
»Eis passt zu allem. Und dank Winona haben wir auch alle Geschmacksrichtungen.« Sie öffnete den Eisschrank und präsentierte mindestens sieben Familienpackungen Eiscreme.
Er prüfte sie und sagte dann: »Schokolade-Kirsch.«
»Sehr gut.« Sie holte sein und ihr Lieblingseis heraus und füllte zwei Schälchen damit. Dann gingen sie zurück ins Wohnzimmer.
»Ich hatte recht. Jetzt schmeckt das Bier nicht mehr.«
Sie grinste ihn an. »Keine Sorge. Das Eis ist doch gleich aufgegessen.«
»Trinkst du dann noch ein Bier mit mir?«
»Es könnten auch zwei sein, Doc.«
Obwohl Winona die ganze nächste Woche wie gewohnt mit Klienten sprach und Verträge prüfte, dachte sie gleichzeitig unentwegt über die Zukunft von Water’s Edge nach. Zwar hätte sie Vivi Anns Idee sehr gern rundweg abgelehnt, doch das konnte sie nicht. Sie konnte sie aber auch nicht begrüßen, zumal es sie ärgerte, dass nicht sie diese Idee gehabt hatte. Schließlich bot sie sich in mehr als einer Hinsicht an. Doch am Ende eines langen Arbeitstages gab sie auf und fuhr zur Ranch.
Sie klopfte kurz und betrat das Haus. In der Küche brannte Licht; auch im Wohnzimmer warf eine Lampe ihr Licht auf das Karosofa und den Wagenradtisch. Sie
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