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Das Geheimnis der Schwestern

Das Geheimnis der Schwestern

Titel: Das Geheimnis der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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in den Mülleimer, dann setzte sie sich auf die Fensterbank und starrte hinaus in den Regen, der auf die nackten Bäume fiel. Von ihrem Platz aus konnte sie die Leute auf den Straßen sehen; wahrscheinlich waren sie nach den Feiertagen ein bisschen einkaufen oder auch in der Kirche gewesen, so als wäre es ein ganz normaler Wintertag.
    Aber nichts war normal. Vielleicht würde nichts mehr normal sein.
    Seufzend ging sie in die Küche und holte einen Familienbecher Eiscreme aus dem Gefrierschrank. Sie setzte sich damit in den Wintergarten und dachte beim Essen nach. Mit jeder Minute, die verstrich, festigte sich ihr Entschluss: Sie würde nicht zulassen, dass Dallas Raintree ihre Familie zerstörte. Vivi Anns Schwäche für ihn hatte sie alle bereits zu viel gekostet. Außerdem stand jetzt ihr guter Name auf dem Spiel. Es hieß schon, die Greys seien so dumm gewesen, ihn in ihre Familie aufzunehmen.
    Sie wusste nicht, wie lange sie dort saß, doch in der Zeit schlug das Wetter um. Es hörte auf zu regnen, und hier und da ließ sich sogar die Sonne zwischen den dichten grauen Wolken blicken.
    Irgendwann hörte sie ein Klopfen an der Haustür, reagierte aber nicht. Im Moment wollte sie mit niemandem sprechen.
    Kurz darauf kam Vivi Ann in den Wintergarten. Winona bemerkte bereits die ersten Veränderungen an ihr: Anspannung zeigte sich an ihren zusammengepressten Lippen, Verzweiflung in ihrem Blick und Panik an ihren krampfhaft verschränkten Händen.
    »Erwischt«, sagte Winona und tauchte ihren Löffel in den Eisbecher. »Beim Frustessen.«
    »Da du nicht geöffnet hast, bin ich einfach reingekommen.«
    »Ich wollte keinen sehen. Und schon gar nicht dich.«
    Vivi Ann durchquerte das Zimmer und nahm ihr gegenüber Platz.
    »Tut mir leid, Pea«, sagte sie leise. Winona wusste, dass sie ihren alten Spitznamen benutzte, um sie daran zu erinnern, was sie füreinander bedeuteten. Sie hatten sich zwar gestritten und Dinge gesagt, die sie nicht so meinten, aber sie waren Schwestern. Am Ende zählten nur die einzelnen Kettenglieder, nicht der Riss in der Kette.
    Winona aß noch einen Löffel Eis. »Woher wusste Mom wohl, wie wir später aussehen würden, als sie uns die Spitznamen gab?«
    »Wie meinst du das?«
    »Du bist Bean – die Bohne, nicht wahr? Woher wusste sie, dass ich eine dicke, runde Erbse werden würde?«
    »Das war doch nur das Gemüse, das in ihrem Garten wuchs, Win. Darum ging es ihr: dass wir zusammen aufwuchsen.«
    »Du warst doch viel zu jung, um zu wissen, worum es ihr ging.« Winona stellte den leeren Eisbecher neben sich auf den Boden.
    »Jedenfalls ging es ihr darum, dass wir in schweren Zeiten zusammenhalten, das weiß ich.«
    »Sagt ausgerechnet die, die mich rausgeschmissen hat.«
    »Ich hab doch schon gesagt, dass es mir leidtut.«
    »Na klar. Er ist verhaftet worden, stimmt’s?«
    Vivi Ann nickte.
    »Und weil dir klargeworden ist, dass du einen Anwalt brauchst, bist du hierhergekommen.«
    »Es zählt doch nicht, dass er den Lügendetektortest nicht bestanden hat, oder?«, sagte Viv Ann.
    »Er hat den Test nicht bestanden?«
    »So ist es, aber selbst ich weiß, dass der Test vor Gericht nicht zulässig ist.«
    »Das stimmt zwar, aber solche Tests sind ziemlich zuverlässig. Und er hat ihn nicht bestanden.«
    »Er ist unschuldig«, beharrte Vivi Ann.
    »Er hat kein Alibi. Er war krank, schon vergessen? Allerdings ging’s ihm am nächsten Morgen wieder gut.«
    »Ich tue alles, Winona. Bitte. Nur hilf mir, ihn zu retten.«
    Winona starrte ihre jüngere Schwester an und sah, dass sie kurz vor dem Zusammenbruch stand. Wahrscheinlich hatte Vivi Ann noch nie zuvor um etwas betteln müssen, aber Winona wusste, wie es sich anfühlte, aus reiner Verzweiflung zu handeln, wenn Stolz und Notwendigkeit miteinander rangen und man am liebsten Verpiss dich gebrüllt hätte, obwohl man Bitte flüsterte. »Er braucht einen Strafverteidiger, Vivi. Und zwar einen guten. Ich kann mich bis zur Anklageerhebung um ihn kümmern, aber danach muss ich den Fall abtreten. Ich bin nur eine Zivilrechtsanwältin aus der Provinz –«
    »Das ist mir alles ganz egal. Was er braucht, ist jemand, der an ihn glaubt. Das zählt mehr als alle Prozesserfahrungen.«
    Da war es, das eine, über das Winona nachgedacht hatte, während sie auf ihrer Fensterbank saß und in den Regen hinaus starrte: Das eine, was die Bande zwischen ihnen zerreißen würde. Aber jetzt musste sie sich dem stellen. »Ich hab von der Prügelei bei Cat gehört«,

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