Das Geheimnis der sieben Palmen
noch mal welche zu sehen kriegst …«
Sempa kam nicht zum Verladen seines Schatzes. Evelyn machte ihm zuviel Mühe.
Der erste Tag ging verhältnismäßig ruhig zu Ende. Sie schlief, das Fieber schnellte erneut in die Höhe, ging nach einer Injektion aber wieder herunter. Wenn sie bei Besinnung war und klar zu denken schien, lag sie wortlos da und suchte mit den Augen nach Phil. Sempa wunderte sich immer wieder, daß sie aus ihren Schwächeanfällen erwachte, daß ihr Herz nicht längst stehengeblieben war. Irgend etwas, eine ganz große Kraft, mußte sie auf dieser Welt zurückhalten. Grübelnd beobachtete Sempa sie in diesen Momenten der Klarheit. Sie sucht und sucht und wartet und wartet … Sie lebt nur noch durch ihre Sehnsucht nach Phil.
Noch viermal ließ Sempa seinen in Rotwein getauchten Zeigefinger auf ihren aufgesprungenen Lippen liegen und gestattete ihr, daran zu saugen. Es war, als lechze sie nur noch nach diesen Momenten. Aber er ahnte, daß alles nur dazu diente, neue Kraft für einen einzigen Augenblick zu gewinnen: zum Wiedersehen mit Phil!
Bevor die Nacht über das Meer zog, gab er Evelyn noch eine Morphiumspritze und beendete damit für diesen Tag ihr stummes, qualvolles Warten auf Phil oder den Tod. Er kontrollierte die Operationsnarbe, machte ihr gegen das Fieber einen kalten Wadenwickel, weil er sich davor scheute, ihr nach dem Morphium auch noch Injektionen gegen das Fieber zu geben. Ein kalter Wadenwickel ist immer gut, dachte er. Meine Mutter hat damit fast alles kuriert, und die wußte es wieder von ihrer Mutter. Bekam jemand einen heißen Kopf – rein ins Bett und kalte, nasse Tücher um die Beine. »Das zieht alles raus!« hatte Mutter immer gesagt. »Das ist wie ein Magnet. Die Krankheit friert und flüchtet.« Natürlich war das Blödsinn, aber Sempa hätte jedem das Gesicht auf den Rücken geschlagen, der über seine Mutter gelacht hätte.
Er wartete bis Evelyn wieder schlief, dann schlich er sich hinaus in die Nacht. Wie bei seinen verrückten Spielen, zündete er längs der ›Kegelbahn‹ wieder alle Holzfackeln an und setzte sich dann unter den sieben Palmen mitten zwischen seine goldenen Kegelgötter und sein kleines glitzerndes Inka-Heer, zog Yuma neben sich, legte den Arm um ihre Hüfte und blickte über das im Mondschein gegen die Klippenbarrieren aufschäumende, silbern staubende Meer.
Die Flut, dachte er. Jetzt kommen die Haie in die Bucht. Vertagen wir das Ein- und Umladen bis auf morgen. »Nicht ungeduldig werden«, sagte er zärtlich zu Yuma und streichelte ihre spitzen goldenen Brüste. »Auf einen Tag kommt es nicht mehr an. Wir werden die weite Welt sehen, verlaß dich drauf!«
Während die Fackeln langsam niederbrannten, saß er am Abhang zur Bucht, hinter sich sein »Heer«, und rechnete aus, ob der noch vorhandene Treibstoff für die Schiffsmotoren ausreichte, um bis zur Küste zu kommen. Er kam zu dem Ergebnis, das schon Phil vorausgesagt und an das er nicht geglaubt hatte: daß er wegen der Überladung des Bootes nie die Küste erreichen könnte. Also müßte er einen Teil des Inkaschatzes auf der Insel zurücklassen. Treibstoffersparnis war wichtiger als einige überschüssige Dollarmillionen. Eine der bewohnten Galapagosinseln anzulaufen, um dort zu tanken, war völlig unmöglich. Man würde sofort die Marinebasis verständigen. Nicht, weil man Verdacht schöpfte – warum sollte man jemanden verdächtigen, der friedlich durch den Archipel schippert? –, sondern einfach aus Freude am Tratsch: Hört mal, bei uns in der Gruppe saust eine amerikanische Yacht herum. Kein Pärchen – einer allein! Muß ein reicher Bursche sein. Ein schönes Schiff, sag' ich euch! Mal eine Abwechslung in dieser niederdrückenden Einsamkeit! – Dann aber würde Commander Don Fernando sich sagen: Da stimmt etwas nicht. Ich kenne nur eine amerikanische Yacht im Archipel, und die gehört einer bezaubernden Myrta Baldwin. Jetzt soll nur ein Mann darauf sein? Da stimmt etwas nicht. Volldampf voraus, Kerls! Das sehen wir uns an. Und schon wär's passiert …
Sempa spürte die Müdigkeit. Auch ein Urtier muß einmal schlafen. Sein Kopf senkte sich, im Halbschlaf schon legte sich Sempa auf den harten Boden und streckte sich aus. Aber Yuma zog er noch an sich.
Er wachte erst wieder auf, als die Sonne goldroten Glanz über den unendlichen Himmel warf. Für wenige Minuten stand das Weltall in Flammen. Erschrocken fuhr er hoch, stieß Yuma von sich, sprang auf und rannte zur Wohnhöhle
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