Das Geheimnis der sieben Palmen
unserer letzten Propangasflasche, die Bratpfanne, vier Eier, Speck, Schinken und ein Stück Salami.« Er ging zum Vorratsschrank, holte eine Flasche Weißwein heraus und steckte sie in seine Hosentasche. »Und ein Fläschchen Wein! Lebt er nicht wie ein Fürst, dein Liebling? Sogar einen Butler hat er. Mich! Wer leistet sich den Luxus, den Regenten einer Insel als Butler zu beschäftigen?! Das Genie Phil Hassler! Was will er noch mehr?!«
»Sag ihm: Ich liebe ihn unendlich.«
»Das wird ihm sicherlich wie Honig runterlaufen.«
»Sag ihm: Ich werde alles tun, um schnell gesund zu werden. Für ihn gesund!«
»Das ist auch nötig, Baby! Wenn ihr ein neues Inselgeschlecht zeugen wollt …«
Er lachte dröhnend und stampfte davon.
Ich hasse ihn, dachte Evelyn Ball und schloß die Augen. Ich könnte ihn erwürgen, erschießen, hängen, zerstückeln! Nichts gibt es, was ich nicht ohne Reue mit ihm tun könnte … Aber er rettet mir das Leben! Daß ich noch hassen kann – es ist sein Verdienst! Daß ich Phil wiedersehen werde – er allein macht es möglich! Daß es für Phil und mich noch eine schöne, große Zukunft geben wird – wir müssen es ihm danken! Was soll ich tun?
Ihm die Hand küssen oder ihm ein Messer in den Leib stoßen?
Am achten Tag nach der Operation kam Sempa mit finsterem Gesicht in Phils Höhle und brachte wie immer das Frühstück. Bevor er dieses Mal die Eier auf dem Gaskocher briet, führte er Phil ins Freie, setzte ihn auf einen großen Stein und tat das, was er alle zwei Tage mit ihm machte: Er rasierte ihn.
Er seifte Phils Gesicht ein und schabte mit sicherer Hand die Bartstoppeln ab. Zum Schluß massierte er ihm sogar französisches Gesichtswasser in die Haut. Man hatte an Bord der Yacht alles zur Verfügung gehabt.
»Du bist wirklich ein Verrückter«, hatte Phil nach der ersten Rasur gesagt. »Was geht eigentlich in dir vor?«
»Und du bist ein Gentleman, der immer gut auszusehen hat. In jeder Situation. Auch hier. Natürlich wäre es leicht gewesen, dir jetzt die Kehle durchzuschneiden. Aber wozu? Das ist das Schöne an unserem Zusammenleben: Jeder von uns schwelgt in der Vorstellung, wie er den anderen umbringen könnte. Aber keiner bringt es übers Herz!«
Sempa hatte es im vollen Ernst gesagt, und Phil sprach seither nicht mehr darüber. In Sempas Seele zu blicken, war einem normalen Menschen unmöglich.
Heute sagte Sempa muffelig: »Es geht nicht weiter mit Eve! Nein, nein, keine Sorge, Phil! Spiel nicht gleich den wilden Mann! Die Wunde heilt gut, das Fieber ist weg, sie hat gegessen, getrunken, ist wieder frech wie Rotz. Aber sie kommt einfach nicht auf die Beine! Verstehst du das? Nach acht Tagen muß sie doch wieder laufen können. In den USA jagen sie dich schon einen Tag nach der Operation aus dem Bett. Wegen Emboliegefahr oder Thrombosenbildung. Stimmt's?«
»Ja. Das machen sie.«
»Siehst du! So dämlich bin ich gar nicht. Aber bei unserem Baby …«
»Was ist mit Evelyn?« schrie Phil in höchster Erregung.
»Sie knickt mir immer weg. Seit dem dritten Tage übe ich mit ihr das Gehen. Ich fasse sie unter, hole sie aus dem Bett, stelle sie hin und sage: ›Mädchen, versuch's noch mal! Ein Bein vor das andere!‹ Und was passiert? Ein Schritt … wupp, geht sie in die Knie! Beine wie aus Pudding! Kann sich einfach nicht halten. Phil –« Sempa starrte Hassler mit flackernden Augen an. »Sag mir die Wahrheit: Ist es möglich, daß wir bei der Blinddarmoperation irgendeinen Nerv zerschnippelt haben, der das Gehvermögen reguliert?«
»Völlig unmöglich! Ari!« Phil sprang auf. »Himmel noch mal, laß mich zu Evelyn! Ich muß das sehen!«
»Vom Angucken wird nichts besser. Da hilft nur üben. Und das kann ich allein mit ihr.« Sempa zündete den Gaskocher an und setzte die Pfanne drauf. Phil, dem Sempa die Fußfesseln etwas gelockert hatte, hüpfte mit kleinen Schritten hin und her.
»Laß die verfluchten Eier weg!« schrie er. »Ich kann doch jetzt nichts essen!«
Sempa schien dafür Verständnis zu haben. Er nahm die Pfanne vom Kocher, drehte die Gasflasche ab und stellte die Pfanne neben sich auf den Boden.
»Ich versteh das einfach nicht«, sagte er. »Gemessen an dem, was sie alles ißt und trinkt, müßte sie schon so kräftig sein wie ein Zehnkämpfer. Aber nein – sie knickt einfach weg! Kann nicht stehen! Hinterher ist sie so erschöpft, daß sie stundenlang schläft.«
»Und was macht sie jetzt?« Phils Stimme klang wie verrostet.
»Sag ich doch:
Weitere Kostenlose Bücher