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Das Geheimnis der sieben Palmen

Das Geheimnis der sieben Palmen

Titel: Das Geheimnis der sieben Palmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Dreißig hatte sie gesagt. Ab Dreißig beginnen die schönsten Jahre einer Frau, sagen die Psychologen. Ab Dreißig beginnt das bewußte Leben, wird das Genießen zum Erlebnis, wird Liebe zur schwellenden Reife.
    Darf man eine Frau wie Evelyn mit ihren herrlichen dreißig Jahren in dieser Einsamkeit begraben?
    »Es ist die Hölle, Otto!« sagte Phil leise zu dem träge atmenden Leguan auf dem heißen Stein. »Unser schönes Paradies gibt es nicht mehr. Eine Frau ist hier – und nun zeigt sich: Die schönsten Paradiese wiegen eine schöne Frau nicht auf. Das ist verrückt, Otto – aber wer kann es ändern? Du kämpfst ja auch wie ein Irrer mit deinem Nebenbuhler um ein hübsches Weibchen! Aber das ist einfacher. Ich muß jetzt gegen mich selbst kämpfen!« Er gab Otto einen leichten Schlag auf den häßlichen Echsenkopf. »Das verstehst du nie, Otto!«
    Er stand auf und machte sich auf den Weg, um Evelyn zu suchen. Sie konnte nicht weit sein; sie hatte Angst vor allem Unbekannten, vor dieser Insel, vor den Leguanen, den dicken Ratten, den Seelöwenherden und den großen Vögeln, die so tief über sie hinwegflogen, weil sie keine Angst vor den Menschen kannten. Sie hatte Angst vor der Hitze, die aus den Erdspalten quoll, und war entsetzt gewesen, als Phil ihr demonstriert hatte, wie man auf der Steinplatte in der Felsspalte seiner ›Pizzahöhle‹ Eier braten konnte. Es war die alte Tragik, deren Opfer nun auch Phil Hassler wurde: Verliebte Männer werden blind und dumm und glauben alles, was von geschwungenen, roten Lippen kommt.
    Nach einer halben Stunde Suchen, in der er nun doch unruhig wurde und sich ausmalte, was Evelyn alles zugestoßen sein konnte – vom Absturz in eine Felsspalte bis zum Ausgleiten und Zerschellen auf einer Klippe am Meer –, entdeckte er sie endlich.
    Sie trug noch immer sein enges Hemd und kletterte auf einem halsbrecherischen Pfad herum, einem natürlichen Lavabalken, der auf halber Felsenhöhe wie angeklebt hing. Ein Witz der erstarrenden Natur. Sie tastete sich den Berg entlang und blickte in die Höhlen, mit denen die Felswand durchsetzt war. Ab und zu verschwand Evelyn in einer der Höhlen, kroch sogar auf Händen und Füßen in besonders flache Eingänge, blieb eine Zeitlang im Inneren des Felsens und kam dann wieder heraus, um auf dem Lavabalken weiterzubalancieren.
    Phil kannte diesen Weg. Er war ihn aus Neugier einmal gegangen – und dann nie wieder. Stellenweise war der Felsbalken nur 20 cm breit, man mußte Fuß vor Fuß setzen, und unten gähnte die Tiefe, der steile Absturz ins Meer, hinein in die nadelspitzen Klippen. Er war damals triefnaß von Schweiß gewesen, als er endlich wieder auf breiterem Boden stand, und hatte schaudernd zurückgeblickt auf diesen Weg. Irrsinn, hatte er gedacht. Aber typisch für dich: Du mußt einfach etwas Verrücktes tun, um zu wissen, daß du es nicht wieder tun wirst.
    Und jetzt ging Evelyn diesen Wahnsinnsweg, von Höhle zu Höhle, und sie verhielt sich so sicher, offenbar völlig ohne Angst, ohne ein Zeichen von Zögern, daß Phil mit angehaltenem Atem ihren Weg verfolgte. Er stand hinter einer Felsnase, sie konnte ihn nicht sehen, auch wenn sie sich umdrehen würde, und er hütete sich, sie anzurufen. Sie würde womöglich wie ein Schlafwandler reagieren, erschrecken und abstürzen. Jede abrupte Bewegung auf diesem schmalen, glatten Felsenpfad mußte tödlich sein. Fuß vor Fuß, Zentimeter nach Zentimeter, den Körper etwas schräg gegen die Bergwand gedrückt, mit den Händen sich im rauhen Gestein festkrallend – nur so kam man weiter. Evelyn tat es genauso, als habe sie gelernt, an senkrechten Felswänden herumzuklettern.
    Wieder verschwand sie in einer der Höhlen und blieb dort länger als bisher. In Phil stieg die Angst auf, sie könnte innerhalb der Höhle in einen Spalt gestürzt sein. Er war schon darauf gefaßt, noch einmal diesen Lavabalken betreten zu müssen, als sie endlich aus der Höhle wieder hervorkroch und den Rückweg antrat.
    Natürlich dachte Phil und atmete tief durch. Die drei letzten Höhlen sind auch über diesen Felsenpfad nicht zu erreichen. Warum auch? Wer eine gesehen hat, kennt die anderen. Durch Erosion in den Stein gefressene Löcher, oder große Luftblasen im Vulkangestein, wie meine Wohnhöhle vor den sieben Palmen. Ein Felsendom, entstanden in der Glut, als sich eine feuerflüssige Masse übereinander schob und dann erstarrte.
    Er blieb ganz ruhig hinter seiner Felsnase stehen und wartete, bis

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