Das Geheimnis der sieben Palmen
oder so: Ich muß den Schweinepferch ausbessern, drei wilde Kühe melken und eine Muttersau suchen, die ausgebrochen ist. Außerdem habe ich vor, ein Stück Land zu roden und darauf Mais anzubauen. Aber trotzdem werde ich …«
Er wollte sie an sich ziehen, aber sie schlüpfte unter den Tisch, und als sie sich auf der anderen Seite wieder erhob, zog sie das Tuch, das sie um die Schultern trug, über ihren Brüsten zusammen. Es sah grotesk aus, er grinste breit, denn vom Magen abwärts blieb sie unbedeckt.
»Du wirst jetzt alles tun, was du auch ohne mich getan hättest«, sagte sie. »Nur mit dem Unterschied, daß ich dir helfe.«
»Wie Sie befehlen, Miß Ball!« Er stand auf und ging in die Wohnhöhle. Dort zog er sich an und kam mit einem Gewehr unter dem Arm wieder ins Freie.
»Wen willst du erschießen?« fragte sie erschrocken.
»Wieso erschießen?« Phil senkte den Lauf zum felsigen Boden. »Wie kommst du denn darauf?«
»Ich – ich habe etwas gesehen …«, sagte sie zögernd. »Vorhin, als ich von deiner Wasserfalldusche hierher lief.« Sie bemerkte, wie er sie wieder musterte, dort, wo sie nackt war. Ohne Hast nahm sie das Tuch von ihren Schultern und schlang es um ihren Leib. Nun blieb sein Blick auf ihren straffen runden Brüsten.
»Was hast du gesehen?« fragte er. Er wußte, was sie erschreckt hatte.
»Zwei Gräber mit Kreuzen. Hast du die Kreuze gemacht?«
»Da ich hier der einzige Mensch war …«
»Ihr wart aber zu dritt«, unterbrach sie ihn.
»Nein. Ich kam allein auf die Insel.«
»Dann waren die anderen schon vor dir da?«
»Vielleicht. Ich weiß es nicht. Jedenfalls – als ich sie kennenlernte, waren sie gerade erst auf die Insel gekommen – vielleicht nicht zum erstenmal. Sie nahmen sich nicht die Zeit, sich vorzustellen.«
»Du hast sie erschossen?«
»Ja. Ich mußte es. Sie verzichteten auf Erklärungen und beschossen mich zuerst. Mir blieb nichts anderes übrig.« Er klemmte das Gewehr unter den Arm und nickte. »Das ist alles, Ev. Mehr kann ich dir nicht sagen; ich weiß nicht mehr. Ich kannte sie nicht, und sie hatten auch keine Papiere bei sich.«
»Und was willst du jetzt mit dem Gewehr?«
»Ein Ferkelchen schießen. Ich möchte für dich ein ganz zartes Spanferkel am Spieß braten.« Er lächelte etwas mühsam. »Ein Ferkel zu schießen, ist sicher nicht weidgerecht, aber ich kann einfach kein Tier mit der Hand töten. Das war schon immer so, auch damals, bei den großen Jagden, zu denen ich eingeladen wurde. Ich konnte schießen, aber ein Reh aufbrechen … nie. Oder einen Hasen aus der Decke schlagen? Unmöglich! Ein Tier auszuweiden, habe ich erst auf meiner Insel gelernt. Es ist mir verdammt schwergefallen, aber jetzt kann ich es.« Er blickte wieder auf ihre bloßen Brüste. »Du wirst einen Sonnenbrand bekommen, Ev.«
»Ich ziehe mich gleich an und mache deine – unsere Höhle sauber.«
»Sag das noch einmal. Bitte!«
»Unsere Höhle, Phil.«
»Die Welt sieht plötzlich ganz anders aus.«
Sie nickte. »Geh los und tu deine Arbeit.«
»Danke«, sagte er leise.
»Wozu danke?«
»Weil du mir glaubst. Die beiden Kreuze – die Toten darunter … du glaubst mir, daß ich kein Mörder bin, sondern in Notwehr gehandelt habe. Könntest du einen Mörder lieben?«
»O Gott, Phil, stell jetzt nicht solche Fragen! Sie sind sinnlos. Ich weiß, daß du nie einen Menschen ohne Not töten wirst.«
Sie wandte sich ab und rannte in die Wohnhöhle. Phil blieb noch eine Weile stehen, hörte sie mit einem Eimer klappern und ging dann hinüber zu den Schweinen.
Als er nach einer Stunde zurückkam, sah er Evelyn, wie sie abseits der sieben Palmen auf einem Felsenklotz saß und mit größter Gewissenhaftigkeit Kosmetik mit Hilfe ihrer geretteten Kosmetiktasche betrieb. Lidstriche, Lidschatten, Augenbrauen, Lippen – ab und zu, wenn sie die Tasche drehte, blitzte der kleine eingearbeitete Spiegel auf. Sie schminkte sich mit der rechten Hand, die linke trommelte nervös auf den Utensilien in der Kosmetiktasche herum.
Verdammt, ich liebe sie wirklich, dachte Phil. So etwas habe ich lange nicht mehr gespürt, nicht so ehrlich wie heute. Seit dem Tode meiner Frau war alles nur ein flüchtiges Abenteuer, und Liebe war nichts als ein abgegriffenes Wort für Sex. Aber jetzt! Ich könnte zu ihr hinlaufen und ihr zu Füßen fallen. Ich möchte ihr sagen: Laß uns den Herrgott bitten, daß wir zusammen zweihundert Jahre alt werden!
Er lehnte sich gegen den Eingang der Wohnhöhle
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