Das Geheimnis der sieben Palmen
hinauf.
»Zur Vervollständigung des trauten Heimes«, schnaufte er, als er die Kiste auf der Terrasse abstellte. Er musterte Evelyn mit einem Zungenschnalzen und fing sich einen bösen Blick ein. »Störe ich, ihr Lieben? Kriegsrat? Wie kann man den guten Onkel Ari auf den Mond schießen? – Ganz einfach: Laßt mich die Hälfte des Schatzes wegschaffen, dann habt ihr mich ruck, zuck los! Mehr will ich doch gar nicht. Nur meinen Anteil! Ist das unter Geschäftspartnern eine unbillige Forderung?« Er setzte sich auf die große Kiste, an der drei normale Männer zu schleppen gehabt hätten, und wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß vom Gesicht. »Alles Flaschen! Nicht ihr … hier in der Kiste! Whisky, Gin, Kognak, und noch so ein Sauzeug, den Namen habe ich vergessen. Ein Indianerschnaps, gebraut aus einer Knolle. Laß Evelyn mal erzählen, wie sich Gilberto benahm, wenn er davon den Kanal voll hatte. Dann war er fähig, achtzigjährige Mütterchen zu vergewaltigen. Aber deshalb habe ich das Zeug nicht an Land gebracht. Für Sie, Phil, ist das der richtige Schnaps. Sie werden ihn brauchen, um sich zu betäuben. Die Show, die ich ab heute hier abziehe, verkraften Sie nicht!«
»Wo liegt der Schatz?« fragte Phil.
»Wollen Sie ihn sehen?«
»Vielleicht.«
»Vielleicht – sagte das Mädchen und zog dem Jüngling die Hose herunter! Phil, seien Sie nicht so pharisäerhaft! Sie bibbern geradezu danach, im Gold zu wühlen.« Er stand von der Kiste auf und nickte zu der zerklüfteten Felsenlandschaft hinüber. »Ich habe Ihnen ja gesagt, ich will Spazierengehen.«
»Zu den Seeräuberverstecken.«
»Hat unser Leckermäulchen auch das schon ausgeplappert?« sagte Sempa und warf einen ironischen Blick auf Evelyn. Eine Woge von Haß schlug ihm entgegen. Sie ist gefährlich, dachte er. Phil nicht. Mit dem kann man reden. Der kommt aus einem ehrlichen Elternhaus. »Wollen Sie's also sehen oder nicht? Wenn nicht – kümmere ich mich um eine Flasche Whisky und warte. Aber ich werfe Ihnen ein Bonbon hin, an dem Sie lange lutschen werden: Hier auf der Insel befindet sich auch der einzig noch erhaltene, goldene, mit Edelsteinen besetzte Kampfpanzer des Inkakönigs. Man hat viel davon gehört und gelesen – aber gesehen hat diese Rüstung noch keiner! Sie war verschwunden. Wir haben sie! – Was sagen Sie nun, Phil?«
»Ich begleite Sie auf Ihrem Spaziergang.«
»Also doch! Evelyn, wir kommen uns näher, merkst du was?« Sempa klopfte sich wie ein Riesenaffe mit den Fäusten auf die breite Brust. »Phil, ich garantiere: Wenn Sie das gesehen haben, denken Sie anders. Vor soviel Glanz und Reichtum gehen selbst Sie in die Knie.« Er wandte sich zum Gehen und blieb nach fünf Schritten stehen, um auf Phil zu warten.
»Du nicht?« fragte Phil. Evelyn schüttelte den Kopf. »Warum nicht?«
»Ich kenne den Schatz. Wenn du wiederkommst, wirst du ein anderer Mensch sein. Ich habe es bei James erlebt. Ich hasse diesen Schatz. Hasse, hasse ihn! Und ich habe Angst.«
»Um mich?«
»Ja. Der Schatz wird dich verzaubern wie alle, die ihn gesehen haben.«
»Das glaube ich nicht. Ich hatte mich an Millionen gewöhnt, als sie begannen, mich anzukotzen. Mag sein, daß ich ein komischer Kerl bin – aber ein Inkaschatz bringt mich nicht aus der Fassung.«
Sempa setzte seinen Spaziergang wieder fort, als Phil neben ihm war. Sie gingen über das mit Sträuchern und niedrigen Bäumen bewachsene Plateau bis zu einem wild zerklüfteten Abhang, der einmal, vor Millionen Jahren, ein Kraterloch gewesen war.
»Sie kommt nicht mit?« fragte Sempa. »Eine bemerkenswerte Frau, nicht wahr? Erst verkauft sie die herausgebrochenen Edelsteine in Rio und Montevideo, und plötzlich flucht sie auf die Millionen. Macht Liebe so dusselig?«
»Das ist Ihre Version, Ari!« Phil blieb stehen und blickte in den verwitterten Krater. Der Boden war mit Gestrüpp und hartem Gras überwuchert. Eine wilde Ziegenherde, langhörnige, kräftige Tiere, größer als europäische Hausziegen, weideten dort und kümmerten sich nicht um die Menschen. Wie fast alle Tiere auf den Galapagos kannten sie keine Angst oder Scheu. Sie hatten keine Feinde. Flucht war ihnen unbekannt. Wovor fliehen? Im Paradies herrscht Gottes Ruhe. »Dort unten?« fragte Phil.
»Abwarten.« Sempa steckte sich eine Zigarette an und gab die Schachtel an Phil weiter. »Glauben Sie, daß irgendwann das Kanonenboot wieder hierherkommt?«
»Sicherlich. Don Fernando muß seine Patrouillen abfahren.
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