Das Geheimnis der sieben Palmen
noch nie einen Menschen umgebracht. Beschissen habe ich viele, zugegeben … aber getötet? Nie! Ich glaube, ich kann gar keinen Menschen umbringen. Das hat mir zuletzt das Leben gerettet. Als Sie Gilberto und James erschossen, bin ich weggelaufen, vor Angst furzend wie ein Pferd mit Koliken. Ich habe zwei Maschinenpistolen an Bord und ein leichtes Maschinengewehr sowjetischer Bauart …«
»Sieh an!«
»Gilberto kaufte alles von kolumbianischen Guerillas. Ist ihnen schon aufgefallen, daß alle Guerillas sowjetische Waffen haben?« Sempa zog seine etwas verrutschte Badehose hoch und benahm sich wie ein kleiner Junge, der beim Pinkeln gegen eine Fensterscheibe erwischt worden ist. »Ich habe noch nie damit geschossen! Doch ja, zweimal, zur Übung, weil James es wollte. Es war eine Katastrophe. James äußerte nie mehr den Wunsch, ich solle üben – er kam sich gefährdet vor! Sehen Sie – das alles ist Ihr Glück. Ich bin ein gemütlicher Kloß! Aber nur bis zu einer gewissen Grenze.«
»Und was kommt hinter dieser Grenze?«
»Weiß ich nicht. Ich habe sie noch nie übersprungen, Phil. Provozieren Sie mich nicht – damit ich nicht andere Seiten an mir entdecke.«
»Dann fahren Sie so schnell wie möglich ab, Ari!«
»Ohne den Schatz? Nein! Ich bleibe hier, um Sie nervlich auszuhungern. Sie sind nämlich ähnlich wie ich. Sie könnten mich nicht umbringen. Nur, wenn Sie sich wehren müßten. Aber ich greife Sie ja nicht an. Das ist der Trick! Ich setze mich vor Sie hin und furze – und Sie müssen es ertragen. Wie lange? Ich kann das monatelang. Halten Sie das aus? Wann drehen Sie durch? Das ist ein mörderischer Zweikampf ohne Waffen, Phil! Und den gewinne ich.«
Er wandte sich ab und begann den Abstieg zum Strand. Aus der Höhle kam Evelyn und setzte sich auf die Bank. Ihr Gesicht war von der Glut des offenen Feuers gerötet.
»Ich habe alles gehört«, sagte sie.
»Und was hältst du davon?«
»Es stimmt, was er sagt. Er brüllt zwar wie ein Löwe, aber ein reißendes Raubtier ist er nicht. James nannte ihn einmal den ›Dinosaurier‹. – Genau das ist er. Ein Riesenvieh, aber ohne Tötungsinstinkte. Die hatte James um so mehr.«
»Und trotzdem hast du …«
»Ich war irgendwie am Ende. Phil. Diese nach Fusel stinkende Hafenbar, die Tanzerei, die ewigen Anpöbeleien, die dreckigen Anträge jede Nacht. Und da kam James McLaudon. Er war stark, skrupellos und hatte Geld. Woher, das erfuhr ich erst viel später. Aber da war es bereits zu spät. Ich hätte weglaufen können. Aber wohin? Zurück in die Bars? Die Geliebte eines reichen Mannes werden, nur um wegzukommen? Ich bin keine Nutte, Phil.«
»Das habe ich nie behauptet.«
»Aber gedacht, nicht wahr?« Sie legte die kleinen, geballten Fäuste auf den Tisch. »Seit Ari hier ist, hast du an nichts anderes gedacht …«
»Er schafft es!« sagte Phil dumpf. »Evelyn, er schafft es. Bei dir zuerst! Er nimmt uns nervlich auseinander. Merkst du das denn nicht? Er läuft herum, tut nichts, absolut nichts, ist nur immer gegenwärtig, und macht uns damit fertig! Genau das will er!«
»Ich habe es ja gehört.«
»Er will Spazierengehen. Natürlich will er nachsehen, ob sein Inkaschatz noch vorhanden ist. Weißt du, wo sie ihn versteckt haben?«
»Nein. Nicht genau. Aber hier irgendwo in den Felsen. Ich war beim Ausladen zwar dabei, aber ich bin auf dem Schiff geblieben. James wollte es so. ›Wenn Frauen Geheimnisse wissen, kann man sie ebensogut im Fernsehen zeigen‹, sagte er einmal. Doch Ari machte mal eine Bemerkung.«
»In welcher Richtung?«
»Er sagte: ›Du lieber Himmel, die alten Seeräuber verstehen etwas von Verstecken!‹ – Daraus entnahm ich, daß sie den Schatz in ehemaligen Seeräuberhöhlen versteckt hatten.«
»Das könnte stimmen. Die Galapagosinseln waren vor Jahrhunderten Stützpunkt ganzer Seeräuberflotten. Immer wieder stößt man auf ihre Spuren. Aber woher kannte James diese Verstecke?«
»Gilberto kannte sie. Er war doch Kolumbianer. Er muß früher schon einmal die Insel abgeklappert haben. Gilberto bewegte sich hier wie zu Hause. Ari, der als einziger unsere große Yacht beherrschen konnte, hätte allein nie den Weg durch die dreifachen Barrieren gefunden.«
Phil trat an den Abhang und beobachtete, wie Sempa aus einem Koffer eine Hose und ein ärmelloses Hemd kramte und beides überzog. Dann wuchtete er eine eisenbeschlagene Kiste auf seine gewaltigen Schultern und stampfte den Weg über den Lavarücken
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