Das Geheimnis der sieben Palmen
ihr Geld von meinen Banken bekommen? Da gehen Schreiben und Anfragen hin und her – das wäre in der zivilisierten Welt kein Problem! Aber wir leben hier auf einer Galapagosinsel, die nur auf militärischen Karten verzeichnet steht, so klein ist sie! Mit einem Jahr müssen wir rechnen, bis Ihre Mühle endlich läuft und alle eingeschalteten Firmen, Behörden und Stellen ihre Akte ›Wassermühle auf Sieben Palmen‹ schließen können.«
»Scheiße!« Sempa betrachtete wehmütig die Arbeit von sechs Wochen. »Wenn Sie das alles im voraus wußten, Phil, warum haben Sie mich dann so schuften lassen?!«
»Sie waren so glücklich dabei, Ari!«
»Das stimmt.« Er streckte Phil seine Pranke hin. »Warum rotzen wir uns eigentlich immer an?! Ich habe immer gesagt: Sie sind ein guter Kamerad! Ich sage Du zu Ihnen.«
»In Ordnung, Ari.«
Sie gaben sich die Hand, unterbrachen für eine Stunde ihre Arbeit und tranken kalten Tee mit Zitrone, den ihnen Evelyn mitgegeben hatte.
Am Abend wurde es dann wieder verrückt. Die unheimlichen Schwankungen in Sempas Gemüt trieben ihn wieder in eine negative Phase hinein.
»Ich habe heute Mittag mit Sempa Brüderschaft getrunken«, sagte Phil am Tisch. Evelyn stellte die Schüssel mit Hühnerfrikassee hart auf die Platte.
»Und welchen Sinn soll das haben?!« fragte sie überrascht.
»Wir können nicht monatelang aneinander vorbeigehen und uns grüßen wie auf der Wall Street! Was Sempa an Arbeit geleistet hat, ist ungeheuerlich. Wir hätten das in einem Jahr nicht geschafft!«
Von seiner Höhle kam Sempa. Wie immer trug er die goldene Yuma vor sich her und stellte sie an ihren Platz am Tisch. Natürlich war, wie immer, für sie gedeckt.
»Das ist mein Freund Phil!« sagte Sempa glücklich zu Yuma. »Du darfst ihn auch Phil nennen, und er darf dir einen Kuß geben. Zwischen uns vieren gibt es keine Eifersucht mehr!« Sempa winkte Phil zu. »Los, Phil, gib Yuma einen Kuß. Dann kannst du sie Yuma nennen und nicht mehr Prinzessin! Küß sie auf die Lippen – du wirst das nie vergessen!«
»Bestimmt nicht, Ari.« Um durch eine Weigerung keinen Wutanfall Sempas herauszufordern, beugte Hassler sich vor und gab der goldenen Statue einen Kuß. Innerlich schaudernd spürte er, daß an Sempas Prophezeiung, bei allem Wahnsinn, doch ein Funke Wahrheit war: Die Lippen der schimmernden Inkaprinzessin waren voll, sinnlich und, wie zum Kuß, leicht geöffnet. Das kalte, harte Metall schien in dieser einen Sekunde etwas von seiner Starrheit verloren zu haben.
Phil Hassler lehnte sich zurück und vermied es, Evelyn anzublicken. Sie klatschte mit einer Kelle das Hühnerfrikassee auf die Teller.
»Du auch, Eve!« sagte Sempa. »Yuma, das da ist Evelyn!«
Evelyn hob die Kelle und winkte der goldenen Statue zu. »Hallo, Yuma!« Sie füllte den Teller Yumas und nickte ihr zu. »Guten Appetit, Schwester.«
»Sie ist ein Goldstück, Phil!« sagte Sempa und strahlte vor Glück. »Eve ist unbezahlbar. ›Schwester‹ nennt sie Yuma! Jetzt sind wir eine große Familie. Erst jetzt!«
Nach neun Wochen hatte Sempa den gesamten Inkaschatz herausgeholt. Immer wenn sie in ihrer Rodungsarbeit eine Ruhepause eingelegt hatten, war er zu den Höhlen am Kraterrand gelaufen und hatte auch noch die letzten Kostbarkeiten nach oben auf das Wohnplateau geschleppt. Phil hatte ihm dabei nicht geholfen.
»Ich habe mir Freundschaft anders vorgestellt«, knurrte Sempa. »Beim Kegeln immer gewinnen – aber keine Hand rühren, um die Millionen ans Licht zubringen! Ich merke mir das, Phil!« Er setzte sich auf eine Blechkiste, die er gerade aus dem Krater gebracht hatte, und trank aus einem Krug Wasser mit Zitronensaft. »Aber der Schatz kommt nach oben. Ich baue ihn vor dir auf! Du sollst sehen, daß es sich lohnt, vor soviel Reichtum alle Moral über Bord zu werfen.«
»Ich werde das nie tun, Ari!«
»Was ist aus den Menschen geworden – he? –, die immer Christus II. spielen wollten?! Sie landeten im Irrenhaus oder verhungerten in der Gosse! Und wem verdanken die Superreichen ihre Millionen? Etwa dem Gebet oder der Moral?«
»Darum leben wir ja auch auf einer einsamen Insel und wollen es besser machen.«
»Mit zwei-, drei- oder gar vierhundert Millionen Dollar unterm Hintern?«
»Für uns ist das nichts als ein glänzendes Spielzeug, Ari.«
»Wie kann in einem Kopf nur so viel heiße Luft sein?« sagte Sempa und erhob sich von der Blechkiste. »Kommst du nun mit, die anderen Sachen holen?«
»Nein.«
Der
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