Das Geheimnis der sieben Palmen
…«
Später, als Phil und Evelyn wieder auf ihrem Bett lagen und die kurze Stunde anbrach, in der sie sich, ungestört von dem allgegenwärtigen Sempa, allein unterhalten konnten, sagte Hassler: »Sein Wahnsinn macht Fortschritte. Morgen stelle ich Radio Isabela an.«
»Was tun wir, wenn er anfängt, gewalttätig zu werden?« fragte Evelyn.
»Das weiß ich nicht. Ich habe noch nicht daran gedacht.« Phil dehnte sich. Er fühlte sich wie zerschlagen, seine Knochen schienen keinen Zusammenhalt mehr zu haben. Vor Erschöpfung suchte er nach Worten, bettete den Kopf wie so oft zwischen Eves Brüste und kam sich geborgen vor. »Ich glaube, er hat Angst, so bullenstark er auch ist. Solange wir zu zweit sind, wird er nur herumtoben, aber nie etwas unternehmen, weil er genau weiß, daß der Überlebende von uns beiden ihn vernichten wird. Wir haben Gewehre, Pistolen, Revolver.«
»Und er hat zwei Maschinenpistolen und ein leichtes Maschinengewehr an Bord der Yacht. Wenn er die an Land holt, haben wir keine Chance.«
»Er kann es nicht. Einer von uns ist immer in seiner Nähe.«
»In der Nacht, Phil!«
»Da hat er Angst vor Haien! Die Bucht ist zwar zu flach, aber man hat selbst Haie am flachen Badestrand von Australien Menschen zerreißen sehen. Das habe ich ihm erzählt. Wenn er jetzt hinüber zur Yacht watet, dann nie mehr allein.«
»Es ist also wirklich möglich, daß ein Hai …« Evelyn schwieg. »In der seichten Bucht?« sagte sie nach einer Weile. Sie streichelte Phils Kopf.
»Es ist alles möglich«, murmelte er. »Mit der Flut können sie durch die Barrieren kommen und finden dann bei Ebbe nicht wieder zurück. Dann haben wir gnadenlose Mörder vor der Tür.«
Er grub den Kopf noch tiefer zwischen ihre Brüste und schlief ein. Sie streichelte ein paar Minuten noch leicht seinen Kopf und dachte dabei an das lange – oder kurze – Leben, das vor ihnen lag. Sie dachte auch an ihr vergangenes Dasein, an das abwechslungsreiche, herrliche, laute, brodelnde, fröhliche In-den-Tag-hinein-Leben von einst – und wußte plötzlich nicht mehr, ob sie, bei aller Liebe zu Phil, die Kraft aufbringen könnte, ihr noch junges, vielleicht noch lange währendes Leben auf einer einsamen Insel verdämmern zu lassen.
Plötzlich schrak sie auf und hob den Kopf, während sie Phils Gesicht an sich drückte. Draußen tappten Schritte über den Felsenboden. Vorsichtig schob sie sich unter Phil weg, nahm den Revolver aus einer Felsnische neben dem Herd und schlich zum Höhleneingang.
Im hellen Licht des Vollmonds spazierte Sempa auf der Kegelbahn hin und her … von den sieben Palmen bis zum Wohnplateau. Er war allein, trug auch Yuma nicht mit sich herum.
Evelyn schlüpfte aus der Höhle und verbarg sich im Schatten eines überhängenden Granitblockes. »Was ist los?« fragte sie leise, aber laut genug für Sempa. Er warf sich herum, als habe man von hinten auf ihn geschossen, und suchte Evelyn in den dunklen Falten der Felsen.
»Willst du's genau wissen?« knurrte er. »Ich war pissen.«
»Du bleibst eine Sau!« sagte Evelyn ebenso grob.
»Außerdem – der Vollmond! Spürst du den nicht?«
»Nein.«
»Bei mir zittert das Hirn bei Vollmond. Da muß ich 'raus aus dem Bau, muß herumwandern. Verdammt, ich bin nicht mondsüchtig, klettere nicht auf Dächern herum. Ich bin klar bei Verstand. Aber liegen bleiben kann ich nicht, komme mir wie in einem Läusehaufen vor.« Er stierte in die Nacht. »Wo bist du? Komm heraus aus deinem Versteck!«
»Es genügt, wenn ich dich sehe!«
»Ihr überwacht mich also auch in der Nacht?«
»Ich habe einen leichten Schlaf.«
»Und Phil?«
»Er schläft wie in Narkose.«
Sempa zeigte auf die beiden Kreuze hinter den sieben Palmen. »Wenn Gilberto an meiner Stelle wäre, schnitte er Phil jetzt die Kehle durch. Er würde gar nicht merken, daß er nicht mehr lebt.«
»Ich mache dir einen Vorschlag, Ari …«, sagte sie betont.
»Mädchen – wenn du so redest, wird's gefährlich!«
»Nimm Yuma und fahr ab! Es läuft gerade Ebbe. Da kommt man am besten aus der Bucht durch die Barrieren.«
»Was? Jetzt? Heute nacht noch?« Sempa tappte zum Abhang und blickte hinunter auf sein Schiff. Fahlweiß schaukelte es auf dem Wasser.
»Sofort!« sagte Evelyn.
»Ohne den Schatz? Niemals!«
»Du trägst einen Teil auf die Yacht. Genug, um herrlich leben zu können. Nur mach dich weg, Ari! Fahr endlich ab! Laß Phil und mich allein.«
»Jetzt durch das Wasser? Und die Haie?!« Sempa kam vom
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