Das Geheimnis der Sonnensteine: Roman (Sonnenstein-Trilogie) (German Edition)
Quinto benommen. Von hier aus regiert er die Siriusfestung, von einer Besenkammer aus! Wie macht der Mann das, wie hält er das nur durch? Als hätte Dark die stumme Frage auf Quintos Gesicht lesen können, erklärt er: „Sehen Sie, dort! Ich habe mir eine direkte Kabelverbindung zum Großen Koordinator legen lassen, ich kann den Automaten ohne weiteres auch von hier bedienen. Die Bildschirme müssen ja nicht die ganze Wand einnehmen, so geht es auch…“
Quinto fragt erst gar nicht, was aus der Kommandozentrale geworden ist. Er kann es sich plastisch vorstellen: Menschen, Menschen, Menschen… Irgendwo müssen die siebentausend Forscher, Ingenieure und Bergleute, die ihre Kabinen in den Kasematten der Festung den Flüchtlingen zur Verfügung gestellt haben, ja bleiben…
Nachdem der Vizeadmirander alles Dienstliche mit Quinto besprochen hat, holt er zwei Gläser und eine Plastflasche aus einem Schreibtischschubfach und läßt zwei Fingerbreit von der Flüssigkeit in die Gläser perlen. „Echter elloranischer Ananis, Adriel, es ist leider das einzige, was ich Ihnen anbieten kann, aber es ist ein guter Tropfen.“ Und als Quinto zögert, muntert er ihn auf: „Greifen Sie ruhig zu, er schmeckt wirklich vorzüglich…“ Und ernst setzt er hinzu: „Sie werden es brauchen können, denn jetzt zeige ich Ihnen die Stollen der Bergwerke…, oder wollen Sie lieber verzichten?“ Quinto schüttelt den Kopf. Nein, verzichten auf keinen Fall. Er muß den anderen davon berichten…
Auf dem Weg zum Vertikaler, dem senkrecht in die Tiefe führenden Lift, erklärt ihm Dark: „Wir haben die Stollen mit Sauerstoff vollgepumpt. In einige tote Strecken gelang es uns Flutventile einzubauen, die über Luftschächte mit der Planetenoberfläche verbunden sind, so können wir alle zehn Stunden einen Luftaustausch vornehmen.“ Quinto hört beklommen zu.
„Da unten sind nur Männer untergebracht, die kräftigsten und widerstandsfähigsten. Das war auch ein Problem: Zu viele Alte und Halbwüchsige sind mit der Exodusformation geflogen… Ach, was soll’s. Sie werden ja sehen.“
Quinto betrachtet Dark erstaunt, als der sich die Uniformjacke aufknöpft und sie über die Schultern wirft. Er trägt nur ein ausgeblichenes Unterhemd unter der Dienstbekleidung.
Im Vertikator fragt Quinto: „Wie lange sind Sie schon Kommandant der Siriusfestung, Vizeadmirander?“ Dark lächelt wehmütig. Er streicht sich mit der flachen Hand über die Glatze und überlegt. Dann sagt er: „Wissen Sie, so genau kann ich das jetzt gar nicht sagen…, warten Sie mal…, sind es nun vierunddreißig oder fünfunddreißig Jahre? Nein, es müssen vierunddreißig sein. An das fünfunddreißigste Jubiläum würde ich mich erinnern. In jedem dieser vierunddreißig Jahre hatte ich nur drei Monate für meine Familie, ach nein, alle fünf Jahre bekommen wir einen sechsmonatigen Sonderurlaub…, trotzdem, für meine Frau ist es ein entbehrungsreiches Leben. Aber sie hat mich nie gebeten, die Versetzung zu beantragen, eine prachtvolle Frau! Sie macht es mir leicht, meinen Beruf zu lieben…“
Unwillkürlich stellt Quinto sich die Szene von Jorgert Darks Heimkehr vor, wie die Frau ihm um den Hals fällt und ihm stolz den erst drei Monate alten Sohn präsentiert, den der Vater das erstemal betrachtet, staunend und zärtlich. Dark hat neun Kinder, vier Söhne und fünf Töchter, das weiß Quinto so genau, weil manch einer darüber spottet. Auch er hat oft seine Spaße darüber getrieben. Jetzt sieht er es anders. Daß bei Darks die Kinder wie die reifen Früchte vom Baum purzeln, ist so einfach und so menschlich zu erklären. Wenn man sich jedes Jahr nur drei Monate lieben kann… Vielleicht will es seine Frau sogar. Sicher will sie es, sonst ließe sich ja etwas dagegen tun. Er muß recht haben: Sie ist sicher eine prachtvolle Frau!
„Wir fahren am besten gleich bis zur untersten Sohle. Die Männer freuen sich über jeden Besuch“, unterbricht der Vizeadmirander seinen Gedankengang. Durch die gläserne Kanzel des Vertikators erkennt Quinto die Stolleneingänge der einzelnen Sohlen. Auch hier stehen vor einigen bewaffnete Posten.
„Sie bewachen die Radiumminen“, erklärt Dark auf Quintos fragenden Blick. „Eine Gruppe Jugendlicher wollte dort hinein. Sie müssen das verstehen, es ist grauenvoll, wochenlang auf engstem Raum zusammengepfercht leben zu müssen…, was heißt leben! Dahinvegetieren! Wir hatten Mühe, sie da wieder herauszubekommen.
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