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Das Geheimnis der Sonnensteine: Roman (Sonnenstein-Trilogie) (German Edition)

Das Geheimnis der Sonnensteine: Roman (Sonnenstein-Trilogie) (German Edition)

Titel: Das Geheimnis der Sonnensteine: Roman (Sonnenstein-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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Dann wird es tiefe Nacht um ihn…

 
     
     
    Das dumpfe Grollen der Atomexplosionen liegt Tag und Nacht über der Hauptstadt Tirax. Elmer hat sich schnell daran gewöhnt und hört es kaum noch. Wie das ferne Donnern und Brausen der Meeresbrandung bildet dieses Geräusch einen akustischen Hintergrund. Als wäre die Stadt ein praller Getreidesack, in den jemand ein Messer gestoßen hat, so rinnt alles Leben aus ihr, Körnchen für Körnchen. Jeglicher privater Fahrzeugverkehr auf den breiten Alleen ist strikt untersagt worden.
    Nur die Fahrzeuge der Evakuierungskommandos flitzen in regelmäßigen Abständen durch das Straßenlabyrinth, einzeln oder in langen Kolonnen. Tirax wurde nach klassischen Prinzipien projektiert, jene gewaltigen Blöcke aus Schaumstahl, Glas und Beton gibt es hier nicht, denn im Gegensatz zur geographischen Lage von Zoarix, das Hauptstadt eines ehemaligen Inselreiches war, stand den Erbauern genügend Platz zur Verfügung.
    So wuchs Tirax nur in die Breite. Aus der Luft gleicht die Stadt einem Südseeatoll, denn die ehemals im Zentrum gelegene Altstadt wurde vor Jahren dem Erdboden gleichgemacht. Niemandem war es noch zuzumuten, in jenen Zellenbauten zu hausen, wie sie Jahrhunderte hindurch als zweckmäßigste Form des Wohnungsbaus galten. Anstelle der Altstadt gibt es jetzt einen wunderbaren Wildpark mit einem künstlich angelegten See. Als Elmer noch die Istvan-Balinth-Schule besuchte, ist er oft in den Park gefahren, um ungestört lernen zu können.
    Miranda Martin hält den Amigo hart auf der rechten Fahrbahnhälfte der Parkzyklinale – jener Ringstraße, die die grüne Lunge von Tirax vollständig umschließt –, um den die Stadt verlassenden Fahrzeugpulks den Weg frei zu machen. Das aufgeklebte Emblem der Raumsicherheit verschafft ihnen freie Fahrt. In Tirax sind die Amigos geschlossene Kabinenfahrzeuge, nur für den Straßenverkehr geeignet. Ihre walzenförmigen Ballonreifen und das flache Dach ermöglichen hohe Geschwindigkeiten, wie sie sonst nur von Schienenfahrzeugen und Luftkissengleitern erreicht werden.
    „Verdammt wenig Zeit!“ stellt Dorean fest. „Wie sollen wir in zwei Stunden etwas ausrichten?“ Elmer weiß, was er meint: In zwei Stunden beginnt ihr Dienst, und eigentlich müßten sie jetzt schlafen. Aber nicht deshalb ist Dorean so mißgelaunt, ihm paßt es nicht, daß Miranda dabei ist. Er hat nämlich erfahren, daß Protektor Miranda Martin ihn beim Kendokampf überlistete.
    Seitdem verhält er sich zu ihr ausgesprochen frostig. Erst wußte er mit der Frage eines Sportkameraden, wie lange Miranda ihn hätte zappeln lassen, überhaupt nichts anzufangen. Auf seine erstaunte Erwiderung, er hätte den Kampf sicher gewonnen, lachte der andere schallend. „Protektor Martin gewinnt nie einen Kampf, das ist nichts Neues! Sie hat es nämlich gar nicht nötig, zu gewinnen, so gut ist sie! Hast du das etwa nicht gemerkt?“
    Elmer, der dieses Gespräch mithörte, fiel es wie Schuppen von den Augen. Schon während des Kampfes kam ihm einiges merkwürdig vor. Miranda Martins Gewandtheit und ihr ausgezeichnetes Reaktionsvermögen offenbarten schon die ersten Aktionen, und er ertappte sich dabei, daß er insgeheim wünschte, Doreans erste Niederlage zu erleben.
    Auch Dorean begriff rasch, daß er einen ebenbürtigen Gegner vor sich hatte. Einige blitzsaubere Schläge Mirandas zwangen ihn, seine lässige Haltung aufzugeben. Eigentlich hätte sie ihn in dieser ersten Phase des sportlichen Wettstreits schon besiegen können. Mit einer geradezu beleidigenden Überheblichkeit führte Dorean das Bambusschwert nur mit einer Hand, schlug leichtfertige Volten und hatte großes Glück, daß sie ihm bei einer Riposte nicht die Waffe aus der Hand schmetterte.
    In dieser Sekunde besann er sich. Sein Körper spannte sich wie eine Stahlfeder, und nun wirbelten die Bambusschwerter wie Insektenflügel und zeichneten verwirrende Ornamente in die Luft. Dorean muß so fest an seine Überlegenheit geglaubt haben, daß ihm das, was Elmer in höchstes Erstaunen versetzte, gar nicht auffiel: Mehrfach gelangen Miranda Finten, die Doreans Deckung völlig entblößten, doch jedesmal verzögerte sie die entscheidende Attacke um Zehntelsekunden und gab Dorean damit die Möglichkeit, den Angriff zu parieren. Einmal war es so deutlich, daß selbst Dorean es hätte merken müssen.
    Fast zwei Minuten standen sie sich reglos gegenüber, in den typischen Posen des Kendorituals, sich gegenseitig belauernd. Miranda

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