Das Geheimnis der Sonnensteine: Roman (Sonnenstein-Trilogie) (German Edition)
gefällt mir nicht, Malden. Er paßt nicht zu Ihnen“, entgegnet Quattro scharf. „Solange noch Menschen bereit sind, den Kampf zu wagen, so lange werden wir kämpfen.“
„Dann wird der Kampf ewig dauern“, sagt Elmer nachdenklich. „Aber vielleicht ist es gar keiner…“
„Sondern?“ fragt der Kosmander schnell.
„… sondern ein großes Mißverständnis“, beendet Elmer den Satz.
Er sieht dem mit Höchstgeschwindigkeit abfliegenden Ballon hinterher, der aufgrund seiner stromlinienförmigen Hülle und der starken Druckgasturbinen die Strecke bis Tirax in weniger als einer halben Stunde bewältigen kann. Wenn sie eine Kryo-Kammer an Bord haben, hat er vielleicht noch eine Chance, denkt Elmer. Aber nein! Eine derartige Vorrichtung gibt es in der Ballonkabine nicht, denn solch ein kompliziertes Gerät läßt sich kaum mit einem primitiven Druckgasbehälter betreiben…
Wieder einmal wird es Elmer bewußt, wie sehr die Menschen von der Technik abhängig sind. Die Prozesse, die der menschlichen Zivilisation die Existenz ermöglichen, werden immer aufwendiger und unüberschaubarer. Seit einiger Zeit beherrscht man ihre Komplexität nur noch durch den Einsatz sich selbst organisierender Intellektronik.
Ist mit der „Zündung“ der kybernetischen Autoevolution ein Vorgang ausgelöst worden, der zur Ablösung der menschlichen Vernunft führt, zur Ablösung durch eine höherorganisierte, mit noch gar nicht voraussehbaren Entwicklungsperspektiven? Nein, das wohl nicht. Die Ereignisse beweisen die Überlegenheit, die bessere Anpassungsfähigkeit organischer Systeme.
Zum Glück überraschten die Ergophagen die Menschheit jetzt, während der Startphase der kybernetischen Autoevolution, noch kann man sich weitgehend unabhängig von künstlich geschaffener Intelligenz machen. Jedenfalls, wenn es das nackte Überleben erfordert. Wer weiß, was wenige Jahrzehnte später geschehen sein würde, wenn die Ära der kybernetischen Autoevolutionen in die prognostizierte Symbiontische Phase eingetreten wäre.
Vielleicht, so denkt Elmer, begegnet uns in Gestalt der Ergophagen eine Vernunft, die von der Natur völlig anders konzipiert wurde. Eine Vernunft, die sich selbst den Anforderungen des sie umgebenden Milieus ausschließlich anpaßt, um zu überleben – statt die Umwelt den eigenen Bedürfnissen entsprechend zu verändern?
„Kommen Sie!“ Quattro geht voran. So weit der Blick reicht, sieht Elmer nur schmutziggraue Asche und glasige, erstarrte Schmelze. Sie wandern durch eine radioaktive Hölle, von ihnen selbst erschaffen, um den unersättlichen Hunger dieser Scheusale wenigstens für einige Tage zu stillen. An diesem Fleckchen Erde wird sich das sonst so zähe Leben auf Jahrzehnte hin die Zähne ausbeißen, denkt Elmer fröstelnd. Hier haben wir gründliche Arbeit geleistet.
Um den nächsten, steil aufragenden Kristallzapfen machen sie einen respektvollen Bogen. Auch dieses Gebilde ist merkwürdig verbogen, ähnelt entfernt einem Elefantenstoßzahn. Die Spitze verschwindet in flirrenden, vibrierenden Luftschichten und ist nur undeutlich zu erkennen.
Elmer bleibt plötzlich wie angewurzelt stehen. Er läßt den Manipulatorgriff los und wischt sich mißtrauisch über die Augen, er hat Mühe, die Hand durch den Helmkragen des Thyons zu zwängen. Tatsächlich! Das Gebilde verändert sich.
„Kosmander! Dorean!“ ruft er überrascht aus und ergreift wieder die mechanischen Greifer, um mit dem ausgestreckten Metallarm auf die Spitze des korallenartigen Kristallgewächses zu deuten.
Quattro dreht sich nur flüchtig um und geht weiter. Erst als Dorean entgeistert flüstert: „Es wächst!“ bleibt auch er stehen, um nach oben zu blicken.
Aus der Spitze des Stoßzahns treiben kleine Zweige, die an Länge und Umfang schnell zunehmen. Der Vorgang ist kaum zu erkennen, weil er sich in einer Höhe von über dreihundert Metern abspielt. Elmer fiel es auch nur auf, weil die blaufunkelnde Spitze von einem dünnen rötlichen Schleier umhüllt wird, der leise pulsiert und flattert.
„Vielleicht vermehren sie sich auf diese Weise…“, sagt er zögernd. Er hört Doreans verhaltenes Kichern. Der Kosmander reagiert überhaupt nicht. Erst nach einer ganzen Weile sagt er entsetzt: „Sie sind überall… Wir gehen mitten hindurch…, überall Ergophagen…, worauf warten sie nur…“
Plötzlich hört Elmer über das Helmmikrofon ein leises Klirren und Knistern. Er dreht sich suchend um. Das Geräusch kommt aus Quattros
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