Das Geheimnis der Sprache (German Edition)
Sprachkraft.
Dem Völkischen wäre anzuraten, sich einmal in den Forschungsschriften von Strack, Klausner, Grunwald, Bodenheimer u. a. umzutun, um aus ihnen die Stellung der ihm so verächtlichen Mundart innerhalb der Sprachkultur zu erfahren. Um ihm dies zu erleichtern, weise ich ihn hier auf etliche Ergebnisse eines Kölnischen Gelehrten, die in aller Kürze erkennen lassen, wie weit sich der Völkische von der wahren Erkenntnis der Dinge entfernt hält.
Unter den Merksätzen des Dr. S. Simchowitz behauptet den Vorrang: Das Jüdisch-Deutsche weist Wörter und Formen auf, die noch dem früheren Entwicklungsstadium der deutschen Sprache entstammen und jetzt (leider!) aus unsrer Sprache verschwunden sind. Es ist ein lebendiger Zeuge altdeutscher Vergangenheit! – – – Die eigentliche Grundlage ist durchaus deutsch, und gerade Wörter, die zunächst uns etwas wunderlich anmuten, erweisen sich bei genauer Untersuchung als richtiges deutsches Sprachgut .
»Ein systematisch durchgearbeitetes etymologisches Wörterbuch des Jüdisch-Deutschen würde uns darüber erstaunliche Enthüllungen bringen;« (ein solches aus der Feder des Professors Dr. H. Strack wurde übrigens 1916 angezeigt) . . . . . »Nehmen wir als Stichproben zwei der gebräuchlichsten Worte, die jüdisch-deutschen Bezeichnungen für Vater und Mutter: »Tatte« und »Mamme«. Das klingt zunächst komisch – (der Vorredner würde sagen, verschmutzt, mauschlig, knoblauchig) –, aber beide Worte erfreuen sich guten deutschen Ursprungs und sind in Deutschland bis ins 17. Jahrhundert gebraucht worden; sie kommen auch noch weiterhin vor, so setzt Aug. Wilh. Schlegel das Wort Tatte an zwei Stellen seiner Shakespeare-Übersetzung ... Auch bei Zacharias Werner ist es zu finden ...«
»Heute« heißt im Jüdisch-Deutschen » heint «; das ist nicht etwa eine Entstellung des deutschen Wortes (also keine »Verschleimung«), sondern kommt noch heute im bayrischen und kärntischen Dialekt vor, wird aber auch sogar von Luther gebraucht: »Lasset uns heint nit weise sein, ein jeder spare seine Weisheit bis morgen« ... Die jüdischdeutsche Bezeichnung für gestern, » nechten «, ... kommt vor allem im Nibelungenlied vor. Sehr wunderlich klingt das Wort » Leilach « (Mehrzahl Leilacher) für Bettlaken; das Wort ist aber mittelhochdeutsch und wird noch jetzt in Bayern und Österreich gebraucht. Wenn der russische (polnische) Jude sein Gemüse » Zimmes « nennt, so ist es das altdeutsche »Zumus«, wenn er seine Mehlspeise als » Kuggl « bezeichnet, so taucht der gute schwäbische Guglhupf auf. Für »lesen« sagt er »leinen«; das kommt her von dem mittelhochdeutschen »lei«, das Gesang, Weise, Lied bedeutet« ... Der ostjüdische Ausdruck »Jüpitze« für Jacke bewahrt den Anklang an das mittelhochdeutsche Juppe (Schaube); das hessische »Heit« (Art und Weise) hat sich in manchen adverbialen Wendungen erhalten, wie krankerheit, schwangrerheit, im Zustand des Krankseins, der Schwangerschaft. Im Ausdruck »Schmodder« (lüderliche Wirtschaft, unsauberer Mensch) steckt das mundartliche »smodderen«, besudeln. »Wenn der russische Jude sagt: Ich fahre ken Wilna (oder kein Wilna), so drückt er sich gut altdeutsch aus: gen Wilna. »Eppes« für »etwas« ist schwäbisch, wie jeder weiß, der diesen Dialekt kennt.«
In der Vokalbehandlung klingt manches wie Nachlässigkeit, während in Wirklichkeit nur das Festhalten an früherer Aussprache vorliegt ... »Das Jüdisch-Deutsche hat vielfach die mittelhochdeutsche Phonetik beibehalten. Das jüdische o statt a, z. B. statt das: »dos«, statt was: »wos«, statt Gras: »Gros«, ... findet sich in der älteren Schriftsprache, so bei Geiler von Kaisersberg († 1510), und wenn der russische Jude statt Atem »Otem« sagt, so spricht er » gutlutherisch «.
Die Völkischen jenseits des großen Wassers haben schon seit Jahren in mehreren Staaten Amerikas einen Kampf gegen das Jiddisch organisiert, sie verlangen die Ausschaltung dieser Sprache aus der Öffentlichkeit mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Tatsache, daß dieses Jiddisch zum größten Teil aus deutschen Worten besteht. In New York allein leben 1½ Millionen Juden, von denen eine Million sich nur auf Jiddisch verständlich machen kann. Die jiddischen Tageszeitungen in New York mit einer Auflage von 600 000 verteidigen einen Jargon, der bei allem Übelklang doch zahllose Bestandteile aus deutscher Sprachheimat aufweist.
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