Das Geheimnis der Tarotspielerin: Zweiter Band der Tarot-Trilogie (German Edition)
ist offen für Gott.«
Grölender Gesang mischte sich in die heiligen Betrachtungen des Schmieds.
Isabella von Kastilien
Hatte Schenkel weiß wie Lilien
In der Mitte wie zum Trotze
Eine rabenschwarze –
Rumdarassa! Rumdarassa!
Studentengesänge. Hier war er richtig. Die Bursen der mittellosen Scholaren lagen in unmittelbarer Nähe zum Berlich – zum Ärger der Stadtväter und zur Freude der Studenten. Jetzt, so kurz vor Karneval, war es angenehm, nur einen Steinwurf von Kölns verrufensten Spelunken und Winkelschenken entfernt zu wohnen.
Ach das Leben lebt sich lyrisch
Notabene, wenn man jung is’
Und es duftet so verführ’risch,
Notabene, wenn’s kein Dung ist!
Drum lache, saufe, hure, trabe,
Notabene bis zum Grabe.
»Bis zum Grabe«, stimmte der Schmied übermütig ein und bog in den Hof des Dirnenhauses ein. Springend durchquerte er den Morast, den die Schweine des Wirts täglich aufwühlten, und schlug mit harter Faust gegen die Tür, hinter der sein Prophet wohnte.
»Master«, rief er leise, »macht auf! Ich flehe Euch an.«
Die Tür wurde aufgerissen. »Du elender Lausewanz, was willst du noch hier«, herrschte ihn eine Stimme an … die Stimme einer Frau im Beginengewand. Es war Catlyn. Unter ihrem grauen Mieder blitzte das Kostüm der Jagdgöttin Diana hervor. Verflucht. Unberechenbar und flink wie Quecksilber war sie ihm zuvorgekommen. Angst ließ dem Schmied die Knie einknicken. Was hatte sie Elias erzählt?
»Lass gut sein, Catlyn, bitte ihn herein«, meldete sich hinter der Begine der Prophet zu Wort.
Die Stimme des Meisters war voll Güte! Der Schmied stieß Catlyn zur Seite und eilte in den niedrigen Raum. Dort sank er vor dem Mann im grauen Talar in die Knie.
»Herr, ich wusste, Ihr versteht mich. Nie wollte ich Euch enttäuschen. Catlyn verführte mich zu dem dummen Spiel.«
»Es war in der Tat dumm«, sagte der Meister, »ohne meine und Gottes Führung zu handeln. Aber der Herr erhörte meine Gebete und wies mir einen Weg, wie alles zu einem guten Ende kommen kann.«
Der Schmied nickte eifrig. »Ihr vergebt mir?«
»Ich vergebe euch beiden. ›Denn sind eure Sünden auch scharlachrot, sie werden weiß wie Schnee‹«, zitierte er das Alte Testament. »Durch mich.«
»Amen«, seufzte der Schmied voll Inbrunst und warf sich dem Propheten zu Füßen.
»Gleichwohl hat er weniger Verstand, als in eine Nussschale passt, und ist zu grob«, zürnte Catlyn. »Zweimal hat dieser Schlagetot nun schon versagt!«
Der Prophet des Lichts drehte sich langsam zu ihr um. »Es war dein Plan, Catlyn. Danke dem Allmächtigen, dass Lunetta den Angriff überlebt hat!«
Der Schmied stieß einen Laut der Verblüffung aus. »Sie ist nicht tot?«
Ein seliges Lächeln entspannte die Züge des Meisters. »Nein, mein Sohn. Lunettas Gabe scheint weit größer, als ich ahnte. Gepaart mit meinem Wissen, werden sie und ich die großen Mysterien der Schöpfung lösen. Sie ist der verlorene Zwilling meiner Seele, den Gott mir geschickt hat, um mich über die ganze Welt zu erhöhen. Sie ist ein Engel der Prophezeiung wie ich.« Seine grauen Augen schimmerten verzückt und ließen ahnen, wie schön Aleander von Löwenstein in seiner Jugend gewesen sein musste.
Misstrauisch verzog Catlyn die helle Stirn. »Begehrst du dieses Zauberkind wie ein Weib?«
Der Schmied wollte auf die Füße springen. »Dreckige Metze!
Wie redest du mit dem Propheten!« Sein Meister zwang ihn mit einer raschen Geste zurück auf die Knie.
»Lasst euren Zank«, sagte Aleander. Zu Catlyn gewandt, fuhr er fort. »Ich lebe seit Jahren enthaltsam, um mich auf die letzte Vereinigung vorzubereiten. Die mystische Hochzeit ist die heiligste aller Zeremonien, kein roher Akt der Sinnlichkeit!«
Catlyn griff nach seiner rechten Hand, fuhr zärtlich mit ihren Fingern darüber. »Du hast sie mir versprochen! Mir allein. Ich werde bereit sein und dir paradiesische Freuden schenken«, gurrte sie lockend.
Er schüttelte ihre Hand ab. Der Schmied registrierte es mit Befriedigung.
»Du wirst deinen Lohn empfangen, wenn Lunetta mir sicher ist.«
»Lohn?«, rief Catlyn schrill. »Ich will deine Liebe! Für dich habe ich mein Keuschheitsgelübde gebrochen, mich an deine lüsternen Jünger verschwendet und den Lockvogel für verdorbene Mönche gespielt.«
Ein verächtliches Lächeln stahl sich in die Züge des knienden Schmieds. Und dieses Miststück hatte es gewagt, ihm zu predigen. Dabei war es kein heiliger Zorn, der sie entflammte, sondern der dumme
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